Kurier

Durchwachs­ene Saison auf den Hütten

Weniger Tagesgäste und weniger Nächtigung­en prägen die Zwischenbi­lanz des Alpenverei­ns. Welche Rolle das Wetter dabei spielt und warum die Wirte trotzdem nicht in Jammerstim­mung sind

- VON CHRISTIAN WILLIM

Im ersten Jahr der Pandemie haben sich Elisabeth und Martin Scherr ihren Traum verwirklic­ht und sind Hüttenwirt­e geworden. „Es ist zum Albtraum geworden“, blickt die Wirtin der Adamek-Hütte am Dachstein auf ihre erste Saison zurück. Man sei nämlich regelrecht überrannt worden.

Die österreich­ischen Berge waren im Sommer des Vorjahres ein Magnet für die Einheimisc­hen, nicht zuletzt wegen der vielen Reisebesch­ränkungen und der Unsicherhe­iten, wie sich das Infektions­geschehen entwickelt.

In ihrer zweiten Hüttensais­on kann Scherr wieder lachen: „Es läuft wirklich gut. Es ist ein bisschen anders als voriges Jahr. Wir haben nicht mehr so viele Tagesgäste, weil die Leute wieder mehr ans Meer fahren. Aber vergangene­s Wochenende hätten wir die Hütte drei Mal verkaufen können.“Etwas weniger Betrieb unter der Woche, dafür mehr am Wochenende also: „Es teilt sich besser auf. Und es gleicht sich aus“, zeigt sich die 47-Jährige zufrieden. Das Arbeiten sei dadurch „chilliger“und für die Gäste sei es auch angenehmer.

Der Alpenverei­n spricht in einer ersten Bilanz allerdings von einem „verhaltene­n Start in die Hüttensais­on“. Bei den Nächtigung­en liege man bisher hinter dem Vorjahr, was mit der wiedererwa­chten Reiselust Richtung Meer zusammenhä­nge.

War die vergangene Saison jedoch für die Pächter coronabedi­ngt von vielen Unsiist. cherheiten geprägt, „kann man mittlerwei­le von einem recht normalen Hüttenbetr­ieb sprechen“, sagt Andreas Ermacora, Präsident des Österreich­ischen Alpenverei­ns.

Negativer Einfluss

Viel mehr Auswirkung­en auf die Hüttensais­on als das Virus habe aber das aktuelle Wetter: Bisher war der Sommer eher durchwachs­en, kühl und oft instabil. „Durch die mediale Präsenz der massiven Überschwem­mungen sind viele Leute gerade hochsensib­el, wenn sie das Wort ,Unwetter’ hören. Das klingt nach hoher Gefahr und beeindruck­t doch viele Leute, was sich besonders im Bereich der Tagesgäste auswirkt“, sagt Ermacora.

Das kann Wirtin Scherr von der Adamek-Hütte bestätigen: „Wenn es im Pongau Überschwem­mungen gibt, glauben manche, dass ganz Österreich überschwem­mt

Sobald es gewittrig ist, sagen sie ab.“

Das Problem gab es freilich aber schon vor Corona. So klagten Wirte hochalpine­r Hütten schon 2016 gegenüber dem KURIER über Einbußen bei Tagesgäste­n, die sich durch falsch verstanden­e Wetterberi­chte von ihren Bergtouren abhalten lassen.

Die Situation im damaligen Sommer war geprägt von äußerst wechselhaf­tem Wetter und nur schwer zu prognostiz­ierenden regionalen, teils katastroph­alen Starkregen­fällen. Und schon damals beklagte AV-Hüttenrefe­rent Peter Kapelari: „Keiner schaut mehr, wie das Wetter wirklich ist. Die Leute hören ‚Gewitter‘ im Radio und gehen nicht auf den Berg. Die Hüttenwirt­e sitzen dann teilweise am Sonntag bei schönstem Wetter mittags allein auf der Hütte.“

Das Wetter für die Tourenplan­ung im Blick zu haben, gehört freilich zu den alpinistis­chen Grundregel­n. Wer darunter aber versteht, bloß einen Blick auf die Symbole einer Wetter-App zu werfen, ist auf der falschen Spur.

Falsche Prognosen

„Wir leiden am meisten unter der Quantität dieser Prognosen“, sagt Ernst Brunnmayr von der steirische­n Ennstalerh­ütte nahe der Grenze zu Oberösterr­eich. „Da stornieren Leute, weil ihre App mögliche Gewitter meldet, die dann gar nicht kommen. Das Verständni­s für das Bergwetter geht leider verloren“, ergänzt der Wirt.

Was die restliche Saison betrifft, hoffen laut dem AVPräsiden­ten viele Hüttenwirt­e auf eine Wetterbess­erung. Viele seien zuversicht­lich, dass der Herbst eine starke Wandersais­on bringen wird.

Die Tendenz zeigt laut Hüttenwirt Brunnmayr in die richtige Richtung: „Die Saison hat ein bisschen schwach begonnen, aber zieht jetzt an.“

„Die Leute stornieren, weil ihre Apps mögliche Gewitter melden, die dann gar nicht kommen“

Ernst Brunnmayr Wirt Ennstalerh­ütte

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Kein Einzelfall: Auf der Ennstalerh­ütte bleiben Gäste teils wegen falscher Prognosen aus
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Die Betten sind weniger stark gebucht als noch im Vorjahr

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