Durchwachsene Saison auf den Hütten
Weniger Tagesgäste und weniger Nächtigungen prägen die Zwischenbilanz des Alpenvereins. Welche Rolle das Wetter dabei spielt und warum die Wirte trotzdem nicht in Jammerstimmung sind
Im ersten Jahr der Pandemie haben sich Elisabeth und Martin Scherr ihren Traum verwirklicht und sind Hüttenwirte geworden. „Es ist zum Albtraum geworden“, blickt die Wirtin der Adamek-Hütte am Dachstein auf ihre erste Saison zurück. Man sei nämlich regelrecht überrannt worden.
Die österreichischen Berge waren im Sommer des Vorjahres ein Magnet für die Einheimischen, nicht zuletzt wegen der vielen Reisebeschränkungen und der Unsicherheiten, wie sich das Infektionsgeschehen entwickelt.
In ihrer zweiten Hüttensaison kann Scherr wieder lachen: „Es läuft wirklich gut. Es ist ein bisschen anders als voriges Jahr. Wir haben nicht mehr so viele Tagesgäste, weil die Leute wieder mehr ans Meer fahren. Aber vergangenes Wochenende hätten wir die Hütte drei Mal verkaufen können.“Etwas weniger Betrieb unter der Woche, dafür mehr am Wochenende also: „Es teilt sich besser auf. Und es gleicht sich aus“, zeigt sich die 47-Jährige zufrieden. Das Arbeiten sei dadurch „chilliger“und für die Gäste sei es auch angenehmer.
Der Alpenverein spricht in einer ersten Bilanz allerdings von einem „verhaltenen Start in die Hüttensaison“. Bei den Nächtigungen liege man bisher hinter dem Vorjahr, was mit der wiedererwachten Reiselust Richtung Meer zusammenhänge.
War die vergangene Saison jedoch für die Pächter coronabedingt von vielen Unsiist. cherheiten geprägt, „kann man mittlerweile von einem recht normalen Hüttenbetrieb sprechen“, sagt Andreas Ermacora, Präsident des Österreichischen Alpenvereins.
Negativer Einfluss
Viel mehr Auswirkungen auf die Hüttensaison als das Virus habe aber das aktuelle Wetter: Bisher war der Sommer eher durchwachsen, kühl und oft instabil. „Durch die mediale Präsenz der massiven Überschwemmungen sind viele Leute gerade hochsensibel, wenn sie das Wort ,Unwetter’ hören. Das klingt nach hoher Gefahr und beeindruckt doch viele Leute, was sich besonders im Bereich der Tagesgäste auswirkt“, sagt Ermacora.
Das kann Wirtin Scherr von der Adamek-Hütte bestätigen: „Wenn es im Pongau Überschwemmungen gibt, glauben manche, dass ganz Österreich überschwemmt
Sobald es gewittrig ist, sagen sie ab.“
Das Problem gab es freilich aber schon vor Corona. So klagten Wirte hochalpiner Hütten schon 2016 gegenüber dem KURIER über Einbußen bei Tagesgästen, die sich durch falsch verstandene Wetterberichte von ihren Bergtouren abhalten lassen.
Die Situation im damaligen Sommer war geprägt von äußerst wechselhaftem Wetter und nur schwer zu prognostizierenden regionalen, teils katastrophalen Starkregenfällen. Und schon damals beklagte AV-Hüttenreferent Peter Kapelari: „Keiner schaut mehr, wie das Wetter wirklich ist. Die Leute hören ‚Gewitter‘ im Radio und gehen nicht auf den Berg. Die Hüttenwirte sitzen dann teilweise am Sonntag bei schönstem Wetter mittags allein auf der Hütte.“
Das Wetter für die Tourenplanung im Blick zu haben, gehört freilich zu den alpinistischen Grundregeln. Wer darunter aber versteht, bloß einen Blick auf die Symbole einer Wetter-App zu werfen, ist auf der falschen Spur.
Falsche Prognosen
„Wir leiden am meisten unter der Quantität dieser Prognosen“, sagt Ernst Brunnmayr von der steirischen Ennstalerhütte nahe der Grenze zu Oberösterreich. „Da stornieren Leute, weil ihre App mögliche Gewitter meldet, die dann gar nicht kommen. Das Verständnis für das Bergwetter geht leider verloren“, ergänzt der Wirt.
Was die restliche Saison betrifft, hoffen laut dem AVPräsidenten viele Hüttenwirte auf eine Wetterbesserung. Viele seien zuversichtlich, dass der Herbst eine starke Wandersaison bringen wird.
Die Tendenz zeigt laut Hüttenwirt Brunnmayr in die richtige Richtung: „Die Saison hat ein bisschen schwach begonnen, aber zieht jetzt an.“
„Die Leute stornieren, weil ihre Apps mögliche Gewitter melden, die dann gar nicht kommen“
Ernst Brunnmayr Wirt Ennstalerhütte