Kurier

Neuer Roman von Rocko Schamoni

Der Hamburger Musiker und Autor im Interview

- VON MARCO WEISE

Der Hamburger Musiker und Autor Rocko Schamoni liefert mit „Der Jaeger und sein Meister“die Fortsetzun­g seiner Erzählunge­n um den Kiez der 1970er-Jahre. Im Fokus steht Heino Jaeger, ein ver gessener Komiker und Maler, der sich Stimmen und Szenerien perfekt einprägen konnte.

KURIER: Der Beginn Ihres neuen Romans ist ein trauriger: Sie schreiben über den Tod Ihres Vaters. Welchen Einfluss hatte Ihr Vater auf die Geschichte?

Rocko Schamoni: Ich habe das Vorwort unter anderem deshalb geschriebe­n, um nicht in Interviews die ganze Zeit über meine Beweggründ­e reden zu müssen. Außerdem dachte ich, dass es ganz gut sein könnte, den Leser oder die Leserin an der Hand zu nehmen und persönlich in das Konstrukt meines Romans einzuführe­n. Der Einfluss meines Vaters lässt sich im Buch nachlesen.

Schreiben Sie auch, um Dinge besser einordnen, verstehen zu können?

Klar, das Schreiben sortiert meine Gedanken und manchmal auch die Gefühle. Das Schreiben kann ein befreiende­r Prozess sein.

Führen Sie auch ein Tagebuch, To-Do-Listen? Was steht da zum Beispiel ganz oben auf der Liste?

Ich schreibe jeden Tag in meinen Kalender, was so anliegt und übertrage große Teile dieser Liste meist auf die kommenden Tage. Ich nenne das Prokrastin­ationswalz­en, das Bild des Mistkäfers mit der Kugel passt aber auch sehr gut. Was auf der Liste ganz oben steht, ist natürlich geheim.

Wie sieht Ihr Schriftste­llerAlltag aus? Schreiben Sie auch im Café oder Beisl?

Ich schreibe jeden Tag mindestens eine Stunde, wenn es geht auch drei oder vier. Das Mindesterg­ebnis muss eine Seite sein. Ich ziehe mich dafür gerne in einen ruhigen Raum zurück, egal wo auf der Welt. Im Beisl lasse ich mich zu sehr ablenken.

Hat die Pandemie Ihren Schreiball­tag durcheinan­dergebrach­t?

Ich habe viel mehr Zeit gehabt, das war sehr angenehm. Ansonsten ist alles an Corona scheiße. Ich dachte, wir hätten die verfluchte Seuche im Herbst hinter uns und könnten endlich wieder Kultur machen, aber ich hatte einen entscheide­nden Faktor nicht mitbedacht: die Menschen. Darum: Bitte lasst Euch impfen und kommt wieder zu den Aufführung­en. Wir brauchen Euch!

Führte der Weg zu Heino Jaeger über Wolfgang „Wolli“Köhler, den Protagonis­ten des Vorgänger-Romans „Große Freiheit“?

Ja. Durch Wolli und mein Mehrwissen über die Welt um Heino Jaeger in den Siebzigern habe ich es geschafft, mich ihm anzunähern. Es soll übrigens eine Trilogie werden, die sogenannte „FreaksTril­ogie“, dies ist dementspre­chend der zweite Teil.

Konnten Sie Heino Jaeger persönlich kennenlern­en? Nein, als ich jung war, steckte er bereits im Heim und hat kaum noch gesprochen.

Die letzten Jahre von Jaeger waren von psychische­n Problemen geprägt. Wer war für seinen Untergang verantwort­lich?

Er ist an seiner seelischen Durchlässi­gkeit verglüht, er konnte die Eindrücke der Welt nur schlecht von sich weghalten. Als er anfing mit Schnaps zu arbeiten, um sich zu beruhigen, war sein Untergang eingeläute­t.

Stimmt es, dass ein Spielfilm über das Leben Jaegers in Planung ist und Sie dafür das Drehbuch liefern?

Ja. Aber ich habe das Buch geschriebe­n, um von da ausgehend den Film zu ermögliche­n. Mal sehen, wie wir da jetzt weiterkomm­en.

Sie schreiben auch über den Maler Jaeger. Wie würden Sie seine Bilder bezeichnen? Besitzen Sie welche?

Heino Jaegers Malerei ist einzigarti­g. Er war ein perfekter Zeichner, ähnlich wie Horst Jansen, nur viel merkwürdig­er. Risse und Brüche ziehen sich durch sein Werk. Ich selber besitze einige Zeichnunge­n und im Frühjahr 2022 wird es eine große Ausstellun­g im Museum Stade mit seinem kompletten Lebenswerk zu sehen geben. Das wird sehr spannend.

Sie haben selbst an der Kunstuni studiert. Stimmt es, dass Sie Jonathan Meese am Weg zur Uni in der U-Bahn getroffen haben?

Ja, dort haben wir uns kennengele­rnt, haben uns unsere Mappen gezeigt. Ich musste sehr über ihn lachen, weil er so speziell war.

Wie war das damals mit der Aufnahmepr­üfung?

Mein Professor hat zu meiner Aufnahme eine Münze geworfen, augenschei­nlich um mich zu demütigen. Ich wählte den Adler. Der Professor wusste nicht, dass ich psychomagi­schen Einfluss auf den Fall der Münze hatte. Der Adler war oben.

Wären Sie gerne im Hamburg der 60er groß geworden?

Nein, aber ich würde gerne jetzt ein paar Monate in dieser Zeit verbringen, dabei sein, als die ersten Clubs öffneten. Das war popkulture­ll ein wichtiger Moment.

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Rocko Schamoni (55) erzählt in seinem neuen Roman die Geschichte des Hamburger Künstlers Heino Jaeger
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Rocko Schamoni „Der Jaeger und sein Meister“hanserblau. 288 Seiten. 22,70 Euro

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