Neuer Roman von Rocko Schamoni
Der Hamburger Musiker und Autor im Interview
Der Hamburger Musiker und Autor Rocko Schamoni liefert mit „Der Jaeger und sein Meister“die Fortsetzung seiner Erzählungen um den Kiez der 1970er-Jahre. Im Fokus steht Heino Jaeger, ein ver gessener Komiker und Maler, der sich Stimmen und Szenerien perfekt einprägen konnte.
KURIER: Der Beginn Ihres neuen Romans ist ein trauriger: Sie schreiben über den Tod Ihres Vaters. Welchen Einfluss hatte Ihr Vater auf die Geschichte?
Rocko Schamoni: Ich habe das Vorwort unter anderem deshalb geschrieben, um nicht in Interviews die ganze Zeit über meine Beweggründe reden zu müssen. Außerdem dachte ich, dass es ganz gut sein könnte, den Leser oder die Leserin an der Hand zu nehmen und persönlich in das Konstrukt meines Romans einzuführen. Der Einfluss meines Vaters lässt sich im Buch nachlesen.
Schreiben Sie auch, um Dinge besser einordnen, verstehen zu können?
Klar, das Schreiben sortiert meine Gedanken und manchmal auch die Gefühle. Das Schreiben kann ein befreiender Prozess sein.
Führen Sie auch ein Tagebuch, To-Do-Listen? Was steht da zum Beispiel ganz oben auf der Liste?
Ich schreibe jeden Tag in meinen Kalender, was so anliegt und übertrage große Teile dieser Liste meist auf die kommenden Tage. Ich nenne das Prokrastinationswalzen, das Bild des Mistkäfers mit der Kugel passt aber auch sehr gut. Was auf der Liste ganz oben steht, ist natürlich geheim.
Wie sieht Ihr SchriftstellerAlltag aus? Schreiben Sie auch im Café oder Beisl?
Ich schreibe jeden Tag mindestens eine Stunde, wenn es geht auch drei oder vier. Das Mindestergebnis muss eine Seite sein. Ich ziehe mich dafür gerne in einen ruhigen Raum zurück, egal wo auf der Welt. Im Beisl lasse ich mich zu sehr ablenken.
Hat die Pandemie Ihren Schreiballtag durcheinandergebracht?
Ich habe viel mehr Zeit gehabt, das war sehr angenehm. Ansonsten ist alles an Corona scheiße. Ich dachte, wir hätten die verfluchte Seuche im Herbst hinter uns und könnten endlich wieder Kultur machen, aber ich hatte einen entscheidenden Faktor nicht mitbedacht: die Menschen. Darum: Bitte lasst Euch impfen und kommt wieder zu den Aufführungen. Wir brauchen Euch!
Führte der Weg zu Heino Jaeger über Wolfgang „Wolli“Köhler, den Protagonisten des Vorgänger-Romans „Große Freiheit“?
Ja. Durch Wolli und mein Mehrwissen über die Welt um Heino Jaeger in den Siebzigern habe ich es geschafft, mich ihm anzunähern. Es soll übrigens eine Trilogie werden, die sogenannte „FreaksTrilogie“, dies ist dementsprechend der zweite Teil.
Konnten Sie Heino Jaeger persönlich kennenlernen? Nein, als ich jung war, steckte er bereits im Heim und hat kaum noch gesprochen.
Die letzten Jahre von Jaeger waren von psychischen Problemen geprägt. Wer war für seinen Untergang verantwortlich?
Er ist an seiner seelischen Durchlässigkeit verglüht, er konnte die Eindrücke der Welt nur schlecht von sich weghalten. Als er anfing mit Schnaps zu arbeiten, um sich zu beruhigen, war sein Untergang eingeläutet.
Stimmt es, dass ein Spielfilm über das Leben Jaegers in Planung ist und Sie dafür das Drehbuch liefern?
Ja. Aber ich habe das Buch geschrieben, um von da ausgehend den Film zu ermöglichen. Mal sehen, wie wir da jetzt weiterkommen.
Sie schreiben auch über den Maler Jaeger. Wie würden Sie seine Bilder bezeichnen? Besitzen Sie welche?
Heino Jaegers Malerei ist einzigartig. Er war ein perfekter Zeichner, ähnlich wie Horst Jansen, nur viel merkwürdiger. Risse und Brüche ziehen sich durch sein Werk. Ich selber besitze einige Zeichnungen und im Frühjahr 2022 wird es eine große Ausstellung im Museum Stade mit seinem kompletten Lebenswerk zu sehen geben. Das wird sehr spannend.
Sie haben selbst an der Kunstuni studiert. Stimmt es, dass Sie Jonathan Meese am Weg zur Uni in der U-Bahn getroffen haben?
Ja, dort haben wir uns kennengelernt, haben uns unsere Mappen gezeigt. Ich musste sehr über ihn lachen, weil er so speziell war.
Wie war das damals mit der Aufnahmeprüfung?
Mein Professor hat zu meiner Aufnahme eine Münze geworfen, augenscheinlich um mich zu demütigen. Ich wählte den Adler. Der Professor wusste nicht, dass ich psychomagischen Einfluss auf den Fall der Münze hatte. Der Adler war oben.
Wären Sie gerne im Hamburg der 60er groß geworden?
Nein, aber ich würde gerne jetzt ein paar Monate in dieser Zeit verbringen, dabei sein, als die ersten Clubs öffneten. Das war popkulturell ein wichtiger Moment.