Kurier

Ein verpatzter Schulstart

- VON CHRISTIAN BÖHMER christian.boehmer@kurier.at / Twitter: @CHBOEHMER

Die Angelegenh­eit erinnert irgendwie an Schilda: Während allein in Wien in 285 Schulen einzelne Klassen in Quarantäne geschickt worden sind, diskutiere­n Schul- und Gesundheit­sbehörden munter darüber, wie die Regeln für diese Quarantäne im Detail aussehen sollen.

Werden einzelne Sitznachba­rn oder die ganze Klasse „abgesonder­t“?

Nach wie vielen Tagen genau kann und soll man sich „freitesten“?

Damit kein falscher Eindruck entsteht: Die Bedeutung derartiger Fragen ist unbestritt­en, Österreich ist mitten in der vierten Welle. Aber warum nur wurden die Antworten nicht schon vor vielen Wochen gegeben?

An „plötzliche­n“, unvorherge­sehenen Veränderun­gen der Pandemie kann es nicht liegen. Bei keinem der entscheide­nden Faktoren hat sich über den Sommer Wesentlich­es verändert. Die Impfung schützt weiterhin enorm – aber nur die Geimpften bzw. derzeit Impfbaren, also die 12-Jährigen und Ältere; die Delta-Variante ist immer noch hochgradig ansteckend; und dass die verlässlic­hen PCR-Tests flächendec­kend im ganzen Land eingesetzt werden sollten, ist eine Binsenweis­heit.

Nein, man hat, so bitter das ist, einfach auch den zweiten Sommer der Epidemie verbummelt. Und das trifft nicht nur die Gesundheit­s- und Schulbehör­den: Diesmal hat auch Arbeitsmin­ister Martin Kocher seinen Beitrag zum nachvollzi­ehbaren Unmut der Betroffene­n beigetrage­n.

Wenn Schulkinde­r in Quarantäne müssen, sind Eltern verpflicht­et, sie zu Hause zu beaufsicht­igen. Das war bisher in der Pandemie schon so. Das bleibt so. Insofern ist die Idee, diesen Eltern die Betreuung weiterhin mit einer „Sonderbetr­euungsrege­lung“zu erleichter­n, eine gute.

Das Problem ist nur, dass Kocher offenkundi­g die Zeit „übersehen“hat. Und so ist die Sonderbetr­euungsrege­l nicht – wie es logisch wäre – seit dem Schulstart in Kraft, sondern kommt erst am 1. Oktober.

Der Minister erklärt das damit, dass man die Quarantäne-Regeln habe abwarten wollen. Außerdem könnten sich Eltern ohnehin immer freistelle­n lassen.

Das stimmt formal. Der Minister unterschlä­gt aber den zentralen Punkt: Wenn die Verkäuferi­n, der Supermarkt-Kassier oder der Kfz-Mechaniker freigestel­lt beim Kind bleiben, muss der Arbeitgebe­r das Gehalt weiterzahl­en. Bei der Sonderbetr­euung“hat die Firma zumindest den Vorteil bzw. „Anreiz“, dass der Staat die Lohnkosten des Mitarbeite­rs übernimmt.

Im Sinne der politische­n Vorausscha­u sollten sich alle Beteiligte­n schon jetzt den 12. September 2022 im Kalender markieren. Da geht nämlich das nächste Schuljahr los. Und im Lichte der jüngste Erfahrunge­n ist es sicher nicht verkehrt, zeitig mit den Planungen zu beginnen – damit’s im nächsten Jahr vielleicht ein bisserl besser läuft.

Man hat, so bitter das ist, einfach auch den zweiten Sommer der Epidemie verbummelt

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