Kurier

„Normale Leute kommen jetzt an die Reihe“

Alle vier skandinavi­schen Länder haben jetzt sozialdemo­kratische Regierungs­chefs. Die Mitte-Rechts-Koalition von Erna Solberg wurde abgestraft. Die Grünen kommen nicht in die Koalition

- VON JENS MATTERN

„Jetzt können wir es endlich sagen, dass wir es geschafft haben!“, jubelt ein eleganter Herr mit weißen Haaren. Der Sozialdemo­krat Jonas Gahr Støre (61) wird Norwegens neuer Premiermin­ister, derzeit stehen die Hochrechnu­ngen bei über 26 Prozent, rund 6 Prozent mehr als die Partei „Die Rechten“der regierende­n Erna Solberg.

Nicht nur Norwegen, sondern die Welt wolle er jetzt verändern, sagte der Wahlsieger. Denn Støres Wunschkoal­ition wird vermutlich die absolute Mehrheit erhalten. Das ginge sich mit der agrarische­n „Zentrumspa­rtei“und der „Sozialisti­schen Volksparte­i“aus.

Sozialthem­en waren im Wahlkampf von Bedeutung – die Arbeitslos­igkeit liegt seit Beginn der Pandemie oft über 5 Prozent, eine für Norwegen hohe Rate. Die wirtschaft­sliberale Linie der Mitte-Rechts-Koalition unter Erna Solberg hatte keine wirklichen Antworten auf die Sorgen der „normalen Leute“, die nach einem Slogan der Sozialdemo­kraten jetzt „an die Reihe kommen“.

Festanstel­lungen fördern

Dabei lautet eines der großen Verspreche­n: Festanstel­lung fördern, befristete Verträge erschweren. Auch sollen Kürzungen in der Familienpo­litik der seit 2013 agierenden Regierung Erna Solberg zurückgeno­mmen werden.

Somit wird Norwegen das vierte skandinavi­sche Land sein, das sozialdemo­kratisch regiert wird – wobei in Schweden und Dänemark die Minderheit­sregierung­en von einer Linksparte­i beziehungs­weise mehreren Linksparte­ien toleriert werden, in Finnland ist die Partei „Linksbündn­is“mit im Regierungs­boot.

Kann man deshalb schon von einem allgemeine­n Linksruck in Skandinavi­en sprechen? Für Hans Mouritzen, einen dänischen Politologe­n, kehrt eher ein „Normalzust­and“zurück, wie er im Politikpor­tal altinget erklärt.

Die politische Kultur in Skandinavi­en sei so, dass die Wähler einen großen öffentlich­en Sektor mögen: Hohe Steuern werden akzeptiert, dem Staat wird Vertrauen entgegenge­bracht. Gerade in der Nachkriegs­zeit waren bis auf Finnland die Sozialdemo­kraten in Skandinavi­en immer stark. Der Norweger Støre erinnert in seiner Art ein wenig an den Schweden Olaf Palme, den legendären Kreisky-Weggefährt­en.

Auch in Skandinavi­en wurden die ehemaligen Volksparte­ien geschrumpf­t, keine kommt über 30 Prozent. Dafür sind die Linksparte­ien gewachsen, die auf soziale Ungleichhe­iten in der globalisie­rten Welt hinweisen und zudem ein deutlich grüneres Profil aufweisen – Umwelt und Klimatheme­n haben einen hohen Stellenwer­t.

Ölsuche stoppen

Die weit radikalere­n Grünen werden vermutlich nicht mit Støre koalieren. Sie fordern den kompletten Ölstopp. Die „Sozialisti­sche Linksparte­i“will keine neuen Ölquellen in den nördlichen Meeren erschließe­n, wogegen die Sozialdemo­kraten ihr Veto einlegen. Diese wollen mit den Einnahmen aus der Mineralöli­ndustrie die kommende grüne Energiewen­de finanziere­n – allerdings noch ohne genaue Zeitangabe­n.

„Bezeichnen­derweise ist aber mit Torbjørn Giaever Eriksen ein ehemaliger Politiker der Sozialdemo­kraten Politikche­f des Berufsverb­ands von „Norsk olje og gass“. Dieser Verband beauftragt­e einen Bericht, der besagt, dass bei einem Ausstieg aus der norwegisch­en Ölförderun­g das Klima noch mehr belastet würde. Einfach deshalb weil die USA das Fracking, sowie Russland und Saudi-Arabien ihre Förderung dann ankurbeln würden.

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Wahlsieger Jonas Gahr Støre (61): Der Sozialdemo­krat ist dank der Firma seines Großvaters Millionär
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Erna Stolberg ist abgewählt, sie regierte seit 2013

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