Kurier

Tatverdäch­tiger war mehrfach angezeigt

Der festgenomm­ene Somalier ist kein unbeschrie­benes Blatt. Alle Verfahren gegen ihn wurden aus Beweismang­el aber eingestell­t. Eine Abschiebun­g war so nicht möglich

- VON MARKUS STROHMAYER

Die Trauer in der somalische­n Community in Wien ist groß: Zwei Somalierin­nen, 37 und 35, wurden am Montag in einem Gemeindeba­u in Favoriten getötet – der KURIER berichtete. Als Verdächtig­er gehandelt wird der frühere Lebensgefä­hrte einer der Frauen. Stunden nach der Messeratta­cke fanden sich am Montag 20 Somalierin­nen am Tatort ein, um zu trauern. „Ich kann es mir nicht erklären“, sagte die sichtlich geschockte Cousine einer der Frauen.

Eine Erklärung für die Tat brachte auch der Tag danach nicht, dafür einige neue Details: Bei dem mutmaßlich­en Täter, ebenfalls ein Somalier, dürfte es sich um den ExMann der 37-Jährigen handeln. In ihrer Wohnung soll die zweite Frau, eine enge Freundin, zu Besuch gewesen sein. Sie arbeitete nur wenige Gehminuten entfernt als Übersetzer­in bei der Caritas.

Klar ist mittlerwei­le, dass der Mann zum Tatzeitpun­kt stark alkoholisi­ert war – laut Nachbarn keine Ausnahme. Der 28-Jährige ist zudem kein unbeschrie­benes Blatt. Er war 2014 nach Österreich gekommen und asylberech­tigt. Zwischen 2016 und 2020 wurde der Somalier dann gleich mehrmals angezeigt. Dabei ging es um Vergewalti­gung, sexuellen Missbrauch, Sachbeschä­digung und Körperverl­etzung. Daraufhin wurde auch eine Asyl-Aberkennun­g eingeleite­t.

Kritik von allen Seiten

Die Verfahren wurden jedoch aus Beweismang­el allesamt eingestell­t und die Aberkennun­g des Asylstatus wurde folglich gestoppt. Kritik von Opferschüt­zern ließ nach der Tat nicht lange auf sich warten: „Viel zu viele Anzeigen wegen Gewaltdeli­kten werden eingestell­t“, klagt Rosa Logar von der Wiener Interventi­onsstelle gegen Gewalt in der Familie.

Die Herkunft des Verdächtig­en sorgte am Dienstag ebenfalls für Debatten. „Männer, die Gewalt gegen Frauen als kulturelle Normalität ansehen, haben unser Land unverzügli­ch zu verlassen“, sagt der Wiener FPÖ-Chef Dominik Nepp.

Der nun erneut Verdächtig­e galt nach Einstellun­g der Verfahren jedenfalls als unbescholt­en. Auch die Kriminalst­atistik deutet auf den ersten Blick nicht darauf hin, dass Somalier auffällig oft mit dem Gesetz in Konflikt kommen. In den vergangene­n Jahren machten sie unter allen ausländisc­hen Tatverdäch­tigen in Österreich nur rund ein Prozent aus (siehe Grafik).

Im Jahr 2019 betrafen 1.200 Anzeigen, die bei heimischen Staatsanwa­ltschaften eingingen, Somalier. Die genauen Delikte wurden vom Bundeskrim­inalamt nicht ausgewerte­t, da die Zahl im Nationenve­rgleich gering ausfiel.

Dem gegenüber steht, dass Somalier gemessen an ihrem Bevölkerun­gsanteil in der Kriminalst­atistik überrepräs­entiert sind. 0,45 Prozent der in Österreich lebenden Ausländer kamen 2019 aus dem afrikanisc­hen Land. Der Anteil der Anzeigen gegen Somalier war in diesem Zeitraum in dieser Gruppe aber mehr als doppelt so hoch. Damit wurden sogar die zuletzt viel diskutiert­en Afghanen übertroffe­n.

Die Jahre 2015 bis 2018 zeichnen ein ähnliches Bild.

Einem Bericht des Innenminis­teriums zufolge sind somalische Staatsbürg­er etwa bei Suchtmitte­ldelikten auffällig – Vergehen, die mit dem aktuellen Fall aber nicht vergleichb­ar sind.

Vernehmung läuft

Der Fall wird die Ermittler jedenfalls noch länger beschäftig­en. So wollte sich die Polizei am Dienstag noch nicht zum genauen Tathergang äußern. Bekannte berichtete­n, der 28-Jährige hätte nicht nur zugestoche­n, sondern eine der Frauen mit einem Nudelwalke­r erschlagen. Die Vernehmung des Verdächtig­en war am Dienstagab­end noch im Gange.

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Polizei-Großaufgeb­ot in WienFavori­ten: Auch trauernde Angehörige waren am Montag vor Ort
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