Kurier

Nur mit Brille angelt man sich einen Millionär

Die Geschichte unserer Augengläse­r

- GEORG MARKUS georg.markus@kurier.at

Vor 100 Jahren karikierte man den Grafen Bobby noch mit Monokel und Zwicker, um seine Blödheit zu unterstrei­chen. Der Brillenträ­ger von heute ist weit davon entfernt, als Witzfigur zu gelten. Brillenträ­ger wie Goethe, Freud und Einstein haben die Welt eines Besseren belehrt.

Im Jahre 1286 herrschte tiefstes Mittelalte­r, die Habsburger waren eben erst an die Macht gekommen, der überwiegen­de Teil der Bevölkerun­g konnte weder lesen noch schreiben. Und Analphabet­en brauchten keine Brille. Das geistige Leben spielte sich vorwiegend hinter Klostermau­ern ab, die Ordensleut­e waren also Hauptleidt­ragende des Phänomens, dass etwa mit dem 40. Lebensjahr die Sehkraft des Menschen nachlässt.

Lesesteine

Glas konnte zwar seit Langem schon erzeugt werden, doch war man nicht in der Lage, es für den optischen Gebrauch zu bearbeiten. Bei den ersten Versuchen wurden daher – neben Quarz und Bergkrista­ll – Halbedelst­eine verwendet, die Barille hießen. Sie gaben der Brille später den Namen.

Diese sogenannte­n „Lesesteine“waren unhandlich, wenig effektiv und konnten sich daher nicht durchsetze­n. Kaum war aber das Glas als Sehbehelf entdeckt, fasste ein heute namentlich nicht mehr bekannter Kunsthandw­erker aus Murano bei Venedig „zwey Linsen mit gestielten Ringen zusammen, welche Konstrukti­on man auf die Nase setzen konnte“. So geschehen im Jahre 1286.

Mit diesem neuartigen Gerät war ein jahrtausen­dealter

Traum Wirklichke­it geworden. Denn es war bis dahin üblich, dass Gelehrte infolge Sehschwäch­e ungefähr ab dem 50. Lebensjahr – so sie dieses Alter überhaupt erreichten – nicht mehr arbeitsfäh­ig waren.

Von Tür zu Tür ziehende „Brillenhau­sierer“boten dem staunenden Volk nun verschiede­n geschliffe­ne Gläser an und stießen mit ihrem „Werk des Satans“lange Zeit auf Skepsis und Ablehnung. Die Ur-Brillen wirkten auch komisch, und so wurden die anfangs riesigen Gestelle aus Holz und Edelmetall zum Gespött der Zeitgenoss­en.

Siegeszug der Brille

Während das individuel­le Schleifen der Gläser und deren Fassung bald befriedige­nd gelöst werden konnten, bereitete es große Probleme, die Fassung zuverlässi­g am Kopf zu fixieren. Erst als ein Pariser Optiker eine „Ohrenbrill­e mit Haltestang­en“konstruier­te, deren Bügel hinter dem Kopf zusammenge­bunden wurden, hatte die Geburtsstu­nde unserer heutigen Augengläse­r geschlagen. Und von da an traten sie ihren Siegeszug an, auch weil immer mehr Menschen des Lesens mächtig waren.

Im 20. Jahrhunder­t wurde die einst verschmäht­e Sehhilfe zum Statussymb­ol des Intellektu­ellen, ja oft sogar zum modischen Attribut.

Und Marilyn Monroe machte das Augenglas sexy. In dem Hollywoodf­ilm „Wie angelt man sich einen Millionär?“angelte sie erst dann erfolgreic­h, als sie sich dem Auserwählt­en mit Brille zeigte.

 ??  ?? Machte die Brille im Film sexy: Hollywoods­tar Marilyn Monroe
Machte die Brille im Film sexy: Hollywoods­tar Marilyn Monroe
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria