Nur mit Brille angelt man sich einen Millionär
Die Geschichte unserer Augengläser
Vor 100 Jahren karikierte man den Grafen Bobby noch mit Monokel und Zwicker, um seine Blödheit zu unterstreichen. Der Brillenträger von heute ist weit davon entfernt, als Witzfigur zu gelten. Brillenträger wie Goethe, Freud und Einstein haben die Welt eines Besseren belehrt.
Im Jahre 1286 herrschte tiefstes Mittelalter, die Habsburger waren eben erst an die Macht gekommen, der überwiegende Teil der Bevölkerung konnte weder lesen noch schreiben. Und Analphabeten brauchten keine Brille. Das geistige Leben spielte sich vorwiegend hinter Klostermauern ab, die Ordensleute waren also Hauptleidtragende des Phänomens, dass etwa mit dem 40. Lebensjahr die Sehkraft des Menschen nachlässt.
Lesesteine
Glas konnte zwar seit Langem schon erzeugt werden, doch war man nicht in der Lage, es für den optischen Gebrauch zu bearbeiten. Bei den ersten Versuchen wurden daher – neben Quarz und Bergkristall – Halbedelsteine verwendet, die Barille hießen. Sie gaben der Brille später den Namen.
Diese sogenannten „Lesesteine“waren unhandlich, wenig effektiv und konnten sich daher nicht durchsetzen. Kaum war aber das Glas als Sehbehelf entdeckt, fasste ein heute namentlich nicht mehr bekannter Kunsthandwerker aus Murano bei Venedig „zwey Linsen mit gestielten Ringen zusammen, welche Konstruktion man auf die Nase setzen konnte“. So geschehen im Jahre 1286.
Mit diesem neuartigen Gerät war ein jahrtausendealter
Traum Wirklichkeit geworden. Denn es war bis dahin üblich, dass Gelehrte infolge Sehschwäche ungefähr ab dem 50. Lebensjahr – so sie dieses Alter überhaupt erreichten – nicht mehr arbeitsfähig waren.
Von Tür zu Tür ziehende „Brillenhausierer“boten dem staunenden Volk nun verschieden geschliffene Gläser an und stießen mit ihrem „Werk des Satans“lange Zeit auf Skepsis und Ablehnung. Die Ur-Brillen wirkten auch komisch, und so wurden die anfangs riesigen Gestelle aus Holz und Edelmetall zum Gespött der Zeitgenossen.
Siegeszug der Brille
Während das individuelle Schleifen der Gläser und deren Fassung bald befriedigend gelöst werden konnten, bereitete es große Probleme, die Fassung zuverlässig am Kopf zu fixieren. Erst als ein Pariser Optiker eine „Ohrenbrille mit Haltestangen“konstruierte, deren Bügel hinter dem Kopf zusammengebunden wurden, hatte die Geburtsstunde unserer heutigen Augengläser geschlagen. Und von da an traten sie ihren Siegeszug an, auch weil immer mehr Menschen des Lesens mächtig waren.
Im 20. Jahrhundert wurde die einst verschmähte Sehhilfe zum Statussymbol des Intellektuellen, ja oft sogar zum modischen Attribut.
Und Marilyn Monroe machte das Augenglas sexy. In dem Hollywoodfilm „Wie angelt man sich einen Millionär?“angelte sie erst dann erfolgreich, als sie sich dem Auserwählten mit Brille zeigte.