Kurier

Ein Triumphbog­en – in zweifacher Hinsicht

Der Arc de Triomphe ist verhüllt – und damit hat sich ein Lebensproj­ekt des Künstlerpa­ares Christo und Jeanne-Claude posthum erfüllt. Eröffnung ist am kommenden Samstag

- AUS PARIS THOMAS TRENKLER

Auch wenn das Verhüllen von Gebäuden oder Monumenten „total irrational und sinnlos“sei, wie Christo selbst es einmal formuliert hat: Das Einpacken des Arc de Triomphe in Paris ist mehr als bloß ein Kunstproje­kt mit unglaublic­hen Schauwerte­n, es ist ein Zeichen des Widerstand­s, des Durchhalte­vermögens, des unbeugsame­n Willens.

Die Realisieru­ng des Projekts wurde zwar mehrfach verschoben, und Christo, im Mai 2020 gestorben, kann sie nicht mehr miterleben. Aber sie findet statt – der Pandemie zum Trotz.

Und so ist der Triumphbog­en, von Napoleon 1806 nach der siegreiche­n Schlacht von Austerlitz in Auftrag gegeben, nun ein zweifacher.

Christo und seine Frau Jeanne-Claude, beide am 13. Juni 1935 geboren, hatten bereits in den frühen 60er-Jahren die fast größenwahn­sinnige Idee, den weithin sichtbaren Arc de Triomphe zu verpacken.

Christo, der Ende der 50er-Jahre von Bulgarien über Prag nach Wien gelangt war, wollte bekanntlic­h auch den NS-Flakturm im Esterhazy-Park verhüllen. Doch nicht jedes Projekt ließ sich umsetzen – oder wurde weiterverf­olgt. 1985 kleidete das Ehepaar den Pont Neuf – die „neue Brücke“ist die älteste im Originalzu­stand erhaltene über die Seine in Paris – und 1995 den Reichstag in Berlin ein. Jeanne-Claude starb 2009, Christo machte allein weiter. 2017 fasste er den Entschluss, den Triumphbog­en zu verpacken. Im Jänner 2019 gab Präsident Emmanuel Macron sein Okay.

Eine erste Verschiebu­ng – von April auf September 2020 – war wegen der Falken nötig geworden, die sich eingeniste­t hatten.

Und dann brach die Pandemie aus. Im April 2020 fiel die Entscheidu­ng, ein Jahr zuzuwarten. Christos Tod änderte nichts: Weil alle Vorarbeite­n erledigt waren, kam es doch zur Umsetzung – unter der Leitung von Vladimir Javacheff, dem Neffen des Künstlers. Monatelang wurde der Triumphbog­en mit Gestänge eingerüste­t, um die Reliefs und Vorsprünge zu schützen. Das Einpacken selbst hingegen dauert bloß eine Woche.

Am vergangene­n Wochenende herrschte Prachtwett­er in Paris. Tausende Zaungäste standen an den Rändern des Place Charlesde-Gaulle rund um das Nationalde­nkmal, von dem aus sternförmi­g zwölf Avenues, darunter der Champs Élysées, ausgehen.

Silbrig, blau

Sie verfolgten mit, wie Dutzende Klettermax­ln die riesigen, riesig langen Bahnen aus Kunststoff – außen silbrig, innen blau – sachte ausrollten und mit Seilen fixierten. Nach getaner Arbeit standen die Verhüller oben auf der Plattform des Monuments, sie rissen die Arme in die Höhe, und die Zuschauer klatschten begeistert.

Christo arbeitete einst für das Theater; das Einpacken ist daher auch die Inszenieru­ng eines gewaltigen Spektakels – mit 25.000 Quadratmet­ern Stoff, angeblich wiederverw­ertbar, als Bühnenbild. War die Verhüllung der Pont Neuf eine Etappe gewesen, so ist der eingepackt­e Arc de Triomphe das Grande Finale. Und dem Team scheint das Glück hold. Kein Sturm verunmögli­che bisher das Vertauen.

Am Samstag wird der Triumphbog­en offiziell eingeweiht; in ganzer Pracht zu bewundern sein soll er bis 3. Oktober. Die Besichtigu­ng ist gratis, die Realisieru­ng des 14-Millionen-Euro-Projekts erfolgt ohne staatliche Gelder: Es wird von Christos Stiftung und über den Verkauf von Vorzeichnu­ngen, Collagen und Modellen finanziert.

 ??  ?? Ein Kunstproje­kt mit unglaublic­hen Schauwerte­n: Lange Bahnen aus Kunststoff – außen silbrig, innen blau – wurden am Arc de Triomphe in Paris sachte ausgerollt
Ein Kunstproje­kt mit unglaublic­hen Schauwerte­n: Lange Bahnen aus Kunststoff – außen silbrig, innen blau – wurden am Arc de Triomphe in Paris sachte ausgerollt
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 ??  ?? Applaus für die Erklettere­r des Triumphbog­ens
Applaus für die Erklettere­r des Triumphbog­ens

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