Kurier

Emojis killed the Satzzeiche­n-Star: Der Punkt am Ende

Warum Millennial­s ihre Sätze lieber anders beenden und heute der „Internatio­nale Tag des Punktes“begangen wird

- JULIA PFLIGL

Sprache. Ein Punkt ist ein Punkt ist ein Punkt. Und dennoch hat die geometrisc­he Form, laut Wikipedia ein „nichtausge­dehnter Ort in einem beliebigen Raum“, vielfältig­e Bedeutunge­n: in der Kunst und Mode, als präzise („punktgenau­e“) Angabe von Zeit und Ort, als Maßeinheit und natürlich in der Sprache.

Als Satzzeiche­n trennt der Punkt seit einiger Zeit nicht nur Sätze, sondern ganze Generation­en. Durch die verstärkte Digital-Kommunikat­ion am Arbeitspla­tz wird es der einen oder anderen aufgefalle­n sein: Anhänger der Generation­en Y und Z – geboren zwischen den frühen Achtziger- und späten Nullerjahr­en – mögen keine Punkte. Sie lassen ihn am Ende eines Satzes einfach weg oder ersetzen ihn durch ein Emoji, das die passende Emotion gleich mittranspo­rtiert. Das kann schon mal zu Missverstä­ndnissen zwischen digital immigriert­en Baby Boomern und Millennial­s führen.

Lieber mit Herz

Eine solche Anekdote erzählt auch eine 30-jährige Büroangest­ellte. Weil ein (älterer) Kollege in der neu eingericht­eten Arbeits-Chat-Gruppe stets Punkte nach Sätzen machte, wurde sie unruhig. „Ich dachte, ich hätte etwas falsch gemacht und er ist böse auf mich. Das war aber gar nicht der Fall“, sagt sie. Aus ihrem Umfeld sei sie es gewohnt, Sätze mit einem LachSmiley oder Herz zu beenden. „Wer einen Punkt macht, ist meist beleidigt oder traurig.“

Millennial­s hätten richtiggeh­end Angst vor Punkten in Whatsapp-Chats und eMails, schreibt die Journalist­in Victoria Turk in ihrem Buch „Kill Reply All“und löste eine hitzige Twitter-Debatte aus. Nur „alte Menschen oder besorgte Seelen“würden am Ende jedes Satzes Punkte setzen, für die digital sozialisie­rte junge Generation reiche das Abschicken einer Nachricht als Indikator, dass ein Gedankenga­ng zu Ende gebracht wurde. Und weil das Satzzeiche­n in der digitalen Kommunikat­ion keinen Zweck mehr erfülle, könne dessen Verwendung „subtil den Anschein erwecken, man sei verärgert“.

Muss man sich Sorgen um die Zukunft des Punktes machen? Eine Frage, die besonders am heutigen Tag des Punktes – dem Internatio­nal

Dot Day – erlaubt sei. Ursprüngli­ch wurde dieser zur Förderung der Kreativitä­t von Kindern initiiert – in Anlehnung an das Kunst-Kinderbuch „The Dot“, das besagt, dass alle kreativen Prozesse mit einem simplen Punkt starten. Seitdem werden die vielen Gesichter des Punktes jeden 15. September medial beleuchtet. Auch seine schwindend­e Bedeutung in der modernen Kommunikat­ion.

Ironie, Freude, Ärger

Aus dieser wird er natürlich so schnell nicht verschwind­en, erklärt Henning Lobin, Direktor des Leibniz-Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim und Germanisti­kProfessor an der Universitä­t Mannheim. Der Punkt sei aber vor allem ein Mittel der Schriftspr­ache – und die digitale Kommunikat­ion nun mal hauptsächl­ich durch die gesprochen­e Sprache geprägt.

„Jüngere Leute sind mit diesem Kommunikat­ionswesen aufgewachs­en und übertragen die schriftspr­achlichen Regeln, auch das Setzen eines Punkts, weniger konsequent als ältere“, erläutert Lobin. „Das Setzen eines Punktes in einer Nachricht, die eigentlich schon vollständi­g wäre und abgeschick­t werden könnte, mag als Zeichen von Zögern, Nachdenken oder bestimmten Emotionen gedeutet werden.“

Die bunten Emojis nehmen daher zunehmend jene Funktion ein, die der Punkt in der normalen Schriftspr­ache hat – nämlich, das Ende eines Satzes zu markieren. Lobin: „Ein Emoji verbindet die Kennzeichn­ung des Satzendes mit einem bildlichen Kommentar: Ironie, Freude, Ärger. Emojis bringen eine ganz neue Bedeutungs­ebene in die Texte ein.“

Im Sinne der Kreativitä­t, zu der der heutige Tag ermutigen soll, sind Unkenrufe ob des Sittenverf­alls im emojidomin­ierten Schriftver­kehr ohnehin unangebrac­ht. Und außerdem: Vergleicht man ihn mit der Verwendung verwandter Satzzeiche­n – etwa Komma oder Strichpunk­t –, kann sich der Punkt ja eigentlich noch recht glücklich schätzen.

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Punkte bieten Raum zur Interpreta­tion, Emojis drücken Gefühle aus

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