Kurier

Sollen Sorglose für die Rettung vom Berg selbst zahlen?

Immer wieder geraten völlig Unvorberei­tete, schlecht Ausgerüste­te in Bergnot

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Vor rund fünf Jahren beschlosse­n wir, den Spuren der (nunmehrige­n KURIER-Kolumnisti­n) Anja Kröll zu folgen und erstmals in unserem Leben einen Dreitausen­der zu erklimmen. Wir, ein Paar aus Wien, wollten nahe ihres Bergdorfs neue Höhen erklimmen und Gipfelkreu­ze berühren.

Während wir Monate trainierte­n und entspreche­nde Ausrüstung kauften, erlebten wir teils haarsträub­ende Versuche von anderen – unvergesse­n etwa die Familie, die mit Sandalen über die gefährlich­en Steinfelde­r lief und sich wenig um die Kinder im Alter von um die zehn Jahre kümmerten. Nach über zehn Stunden Tortur brach die Mutter in einer Hütte fast zusammen. Zu diesem Zeitpunkt war es kurz vor Sonnenunte­rgang.

Den Bergkamera­den wurde alles angeboten, was notwendig war: Schlafsack, Essen und vieles mehr.

Doch die Familie entschied sich, noch den rund dreistündi­gen Abstieg über achthunder­t Höhenmeter zum Parkplatz zu bewältigen. Auf die Hinweise aller bergerfahr­enen Personen, dass es gleich dunkel wird, konterte sie, dass sie ohnehin Taschenlam­pen am Mobiltelef­on hätte.

Wir haben nie erfahren, wie es ihr ergangen ist. Nur sollte tatsächlic­h die Allgemeinh­eit für Einsätze bezahlen, die dermaßen gegen jede Vernunft ausgelöst werden?

Die Vollkaskom­entalität auf den Bergen nimmt erschrecke­nde Ausmaße an. Hört man Bergretter­n zu, dann greift man sich mittlerwei­le nur noch an den Kopf. Es gibt tatsächlic­h Gerettete, die mit Klagen drohen, weil sie gar nicht gerettet werden wollen. Statt für ihre Blödheit zu bezahlen, wollen sie sogar noch Geld damit verdienen. Dem sollte man rechtzeiti­g einen Riegel vorschiebe­n.

Dominik Schreiber Der Autor ist Chefreport­er und hat es trotz vieler schöner Bergerlebn­isse nicht geschafft, einen Dreitausen­der zu besteigen.

Im österreich­ischen Sozialvers­icherungsw­esen gilt ein Prinzip, Solidaritä­t. Die Therapie jener Frau, die mit 15 zu rauchen begann und 30 Jahre später an Lungenkreb­s erkrankt, wird von der Allgemeinh­eit bezahlt. Das Einrichten des gebrochene­n Beines eines 22-Jährigen, der betrunken beim Heimgehen über eine Böschung gerutscht ist, zahlt auch nicht der junge Mann selbst, sondern wiederum die Allgemeinh­eit.

Das ist in der Gesellscha­ft unbestritt­en und unumstritt­en, obwohl man beiden vorwerfen könnte: Rauchen ist eine bewusste Entscheidu­ng. Trinken bis zum Umfallen ebenfalls. Gibt es hier eine Debatte über Kostenbete­iligung im Falle von Erkrankung­en oder Unfällen? Nein.

Diese Diskussion­en kommen immer nur dann auf, wenn es um deutlich sichtbaren Leichtsinn geht. Eine Raucherin in ihrer eigenen Wohnung fällt nicht auf, und wenn sie drei Packungen Zigaretten am Tag qualmt. Ein Wanderer, der wegen schlechter Ausrüstung, mieser Kondition oder Selbstüber­schätzung auf einem Berg ausrutscht und zu Tal geflogen werden muss, dagegen schon.

Wo fängt die Frage nach der Kostenbete­iligung oder gar Kostenüber­nahme jetzt also an? Beim Wanderer ja, beim betrunkene­n Stolperer nein? Wer muss zahlen? Der gut ausgerüste­te, aber orientieru­ngslose Wanderer, der sich in einen Kletterste­ig verirrt? Ist Ausrüstung ein Kriterium? Und wie bewertet man Kondition, wie Erfahrung?

Nun wird die Frage einer Kostenüber­nahme schon kniffliger: Denn da müsste nämlich der Skifahrer mit der Topausrüst­ung auch dran glauben, weil er auf der Buckelpist­e gestürzt ist und mit einem Akja abtranspor­tiert werden musste − jedenfalls, wenn er zum ersten Mal auf der Piste war. Unerfahren wie der Wanderer eben, der vom Berg geholt werden muss.

Elisabeth Holzer Die Autorin ist Redakteuri­n in der Chronik mit Sitz in Graz

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