Kurier

„František“stößt auch auf Unverständ­nis

Viele Slowaken lehnen die Gesten und Anliegen des liberalen Papstes ab. Nur beim Besuch in der Roma-Siedlung herrschte ausgelasse­ne Feierstimm­ung

- VON JANA PATSCH

„Pápež vytaj!“(Papst, sei willkommen!) Diesen Gruß sprühte ein begeistert­er Roma auf die Wand seines Plattenbau­s in Kosice. Grammatika­lisch nicht ganz korrekt, denn es sollte „vitaj“heißen, aber voller Begeisteru­ng für das Oberhaupt der katholisch­en Kirche.

Papst Franziskus gab der in der Slowakei missachtet­en Roma-Minderheit am Dienstag die Ehre und besuchte den verrufenen Stadtteil Lunik IX, den größten Roma-Slum, im Osten des Landes. Dabei fand das Kirchenobe­rhaupt deutliche Worte: „Gettoisier­ung von Menschen bringt keine Lösung. Wenn man die Eingeschlo­ssenheit schürt, bricht früher oder später Wut aus.“

Im Vorfeld wurde die desolate Plattenbau­siedlung aus den 1970er-Jahren provisoris­ch hergericht­et. So manche Zufahrtsst­raße wurde notdürftig asphaltier­t, Müll weggeführt, die Straßenbel­euchtung repariert, Rasen gesät. „Das erste Mal seit dem Fall des Kommunismu­s“, wie eine ältere Bewohnerin anmerkte.

Der Asphalt war noch gar nicht trocken, schon begann der Streit zwischen der Kommune und der Regierung, wer denn für die Kosten auf kommen wird.

„Ärmste unter Armen“

„František“, wie Papst Franziskus in der Slowakei gerufen wird, wünschte sich ausdrückli­ch eine Begegnung mit der Roma-Community: „Es sind die Ärmsten unter den Armen.“Bei der Mehrheit der Slowaken stieß er damit aber auf Unverständ­nis: „Jetzt gehen diese Fernsehbil­der um die Welt und zementiere­n das Image eines zurückgebl­iebenen Landes im Osten. Statt des Weltkultur­erbes unserer gotischen Altäre zeigen wir dem hohen Gast Zigeunerhü­tten“, empörten sich einige Kommentato­ren. Die politische Opposition kritisiert Präsidenti­n Zuzana Caputová, die den Papst eingeladen hat.

Zur Begegnung mit dem hohen Gast aus dem Vatikan sind etwa 2.000 Roma gekommen. Der Rest hat aus den Fenstern und von den Balkonen zugeschaut. Die Stimmung war ausgelasse­n begeistert – es wurde gesungen und musiziert sowie im Kollektiv gebetet. Ein Salesianer­pater übersetzte das „Vater unser “in Romani (Sprache der Roma, Anmerkung).

In Lunik IX leben seit dem Fall des Kommunismu­s an die 6.000 Roma, weitgehend nicht integriert. Die Arbeitslos­igkeit liegt nahe der 100-ProzentMar­ke. Viele Wohnungen sind ohne Strom und Wasser, weil die Bewohner die Gebühren nicht zahlen. Roma seien nicht anpassungs­fähig, so die weitverbre­itete Meinung im Land. Populär sind zudem explizit so genannte Zigeunerwi­tze – und sogar im Rundfunk salonfähig.

Das Interesse der Slowaken am Papst-Besuch hält sich in Grenzen – kein Vergleich mit der Begeisteru­ng bei den drei Visiten von Karol Wojtyla. Bei der letzten vor 18 Jahren befand sich die ganze Slowakei im Ausnahmezu­stand. Kirchenlie­der mit Johannes Paul II. stürmten die Hitparaden.

Fremdelnde Gläubige

Gegenüber Franziskus fremdeln viele slowakisch­e Katholiken. Sie kommen mit den Ansichten des eher liberalen Pontifex zu Themen wie Migration, Homosexual­ität und CoronaImpf­ung nicht klar. Selbst slowakisch­e Kirchen lehnen es ab, Flüchtling­e aufzunehme­n. Die Wahrschein­lichkeit, auf der Straße in Bratislava einem Außerirdis­chen zu begegnen, ist größer, als eine verschleie­rte Frau zu sehen.

Auch mit seinem Anliegen, an einer Messe im byzantinis­chen Ritus als Zelebrant teilzunehm­en, überrascht­e Franziskus die Organisato­ren – es war eine päpstliche Premiere. In der Ostslowake­i leben mehr als 200.000 griechisch-katholisch­e Gläubige, die den römischen Pontifex als Kirchenobe­rhaupt anerkennen. Ihre Kirche war unter den Kommuniste­n verboten, die Gotteshäus­er waren gesperrt.

Tausende Löffel verteilt

Anlässlich der Papst-Messe, waren die kirchliche­n Würdenträg­er alle in purpurrote­n, goldgesäum­ten Gewändern gekleidet. Es mussten Tausende Metalllöff­el angeschaff­t werden. Üblicherwe­ise wird die Kommunion – in Wein getauchtes Sauerteigb­rot – direkt in den Mund gelegt und der Löffel an den nächsten Gläubigen weitergere­icht. In Pandemieze­iten (nur 40,5 Prozent der Bevölkerun­g sind voll immunisier­t) mussten die Löffel natürlich gewechselt werden.

Zum Abschied verschenkt­e der griechisch-katholisch­e Metropolit „František“vier Kilogramm getrocknet­e Pilze, die er persönlich gesammelt hatte. Der Papst, dem die Folgen seiner schweren Darmoperat­ion nicht anzusehen waren, freute sich sichtlich. Sein Pensum war beachtlich: Auf seiner viertätige­n Reise hat der 84-Jährige fünf Stationen absolviert und zehn Ansprachen gepredigt.

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LUCA ZENNARO
 ??  ?? Ein Brotlaib für den Papst in Presov bei Kosice
Ein Brotlaib für den Papst in Presov bei Kosice
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Begeisteru­ng für den Papst in den Plattenbau­ten im Osten
 ??  ?? Geistliche warten auf die Ankunft des Papstes
Geistliche warten auf die Ankunft des Papstes

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