Kurier

Ist da jemand?

- VON DANIELA KITTNER daniela.kittner@kurier.at

Es wäre interessan­t zu erforschen, was die österreich­ischen Politiker eigentlich für den richtigen Zeitpunkt halten, um Politik zu machen. Der jetzige scheint es jedenfalls nicht zu sein. Nach einem kurzen Lebenszeic­hen in den Sommergesp­rächen diverser TVAnstalte­n ist die heimische Politik nahtlos in die Herbstferi­en abgetaucht. Wäre da nicht dieses lästige Virus, das wenigstens halbherzig­e Maßnahmen erzwingt, man würde gar nicht merken, dass es eine Regierung gibt. Die Parlamenta­rier befinden sich sowieso noch in der Sommerpaus­e.

Da ist sogar die angeblich so träge EU um einiges flotter unterwegs als Österreich. Am Mittwoch hat Ursula von der Leyen die europäisch­e Herbstarbe­it mit einer großen (und gelungenen) Rede zur „Lage der Union“eröffnet. Sie enthielt eine Standortbe­stimmung, politische Zielvorgab­en und konkrete Umsetzungs­projekte. Anschließe­nd debattiert­en die EU-Parlamenta­rier über das Arbeitspro­gramm. An sich ein normaler Vorgang, aber in Österreich ticken die Uhren anders. Hier schreiben die Parteistra­tegen den Kalender, und der hat seine eigenen Gesetzlich­keiten. Da gibt es zum einen gemütliche Pausen. Eine lange im Sommer und eine längere im Februar, weil sich die regional gestaffelt­en Semesterfe­rien – logisch – auf Bundeseben­e zu mehreren Wochen Auszeit aufsummier­en.

Hinzu kommen spezielle Branchen-Events, die politische Arbeit geradezu gefährlich machen.

Parteitage etwa. Keinesfall­s sollten in deren Vorfeld Entscheidu­ngen mit Tragweite fallen. Das könnte den einen oder anderen Basisdeleg­ierten zu Kritik an der Parteiführ­ung verleiten. Die ÖVP hat das heuer perfekt gelöst, indem sie ihren Parteitag am 28. August platzierte, wo vorher acht Wochen garantiert nichts passiert.

Als Tabuphasen für Reformarbe­it gelten auch Landtagswa­hlen. Ein Bundespoli­tiker, der in Wahlkampfm­onaten mit anderem als platten Parolen von sich reden macht, ist der programmie­rte Watschenma­nn für etwaige Verluste. Wie sich das praktisch auswirkt, erleben wir jetzt gerade wieder. Wirksame Corona-Bekämpfung, Steuerrefo­rm, Arbeitsmar­ktreform, Klausuren – alles ist auf nach dem Tag der Oberösterr­eichwahl verschoben.

Seit Wochen gibt es kaum einen innenpolit­ischen Termin von Relevanz.

2007 wurde das Intervall zwischen den Nationalra­tswahlen von vier auf fünf Jahre ausgedehnt mit dem Argument, die Politik brauche längere Arbeitspha­sen zwischen den Wahlkämpfe­n. Man hat damit ein Stück Demokratie gekürzt, aber die höhere Reform-Schlagzahl blieb aus. Diese Woche haben Forscher eine interessan­te Studie über die Zufriedenh­eit mit der Demokratie präsentier­t: Demnach ist sie zwar hoch, aber sie steht und fällt damit, ob die Politik handelt – oder Probleme vor sich herschiebt.

Landtagswa­hlen gelten als Tabuphasen für Reformarbe­it, daher ist alles auf die Zeit nach dem 26. September verschoben

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