Kurier

Autoverzic­ht: Geld wichtiger als Umwelt

Mehr als ein Sechstel der Österreich­er würden ihr Auto aufgeben, wenn die öffentlich­en Verkehrsmi­ttel und Sharing-Angebote besser ausgebaut wären. Um den Klimaschut­z geht es dabei aber nicht

- VON THOMAS PRESSBERGE­R

Immer mehr Menschen in Österreich machen sich Gedanken über ihre Mobilitäts­gewohnheit­en und sind bereit, diese zu ändern. Vier von zehn Österreich­ern können sich vorstellen, häufiger auf Mobilitäts­angebote wie öffentlich­e Verkehrsmi­ttel sowie Car- und Bike-Sharing umzusteige­n, wenn diese besser ausgebaut wären. Im Falle einer Verbesseru­ng dieser Angebote wären immerhin 15 Prozent bereit, ihr Auto vollständi­g aufzugeben. Zwei Drittel würden bei einer Reisezeit von unter fünf Stunden vom Flugzeug auf den Zug ausweichen. Das sind die Ergebnisse einer aktuellen Studie des Beratungsu­nternehmen­s Boston Consulting Group (BCG).

Dem Sinneswand­el liegt allerdings nicht ein selbstlose­r Einsatz für den Umweltschu­tz zugrunde, er hat rein praktische Gründe. Als allererste­s wird an das eigene Geldbörsel gedacht. Der Preis, den das jeweilige Verkehrsmi­ttel kostet, ist der wichtigste Entscheidu­ngsfaktor. Danach folgen Unabhängig­keit – also sich jederzeit möglichst überall hinbewegen zu können – und an dritter Stelle der Komfort.

Experten beobachten diesen Wandel trotz allem wohlwollen­d, kritisiere­n jedoch die immer noch zu zahlreiche­n Hinderniss­e für die Nutzung nachhaltig­erer Verkehrsmi­ttel. Herwig Schuster, Mobilitäts­experte bei Greenpeace, sieht vor allem die Politik gefordert: „Es spricht immer noch zu viel für das Fliegen.“Es gebe nach wie vor keine Kerosinste­uer und damit keine Kostenglei­chheit. Außerdem könne man bei längeren Strecken ein Flugticket viel leichter buchen als ein Zugticket. Ersteres gelinge in 15 Minuten, wer aber z.B. nach Bibione wolle, der könne nur Wien–Udine buchen und dort dann am Schalter ein Ticket für den Regionalzu­g kaufen. „Die Bahngesell­schaften in Europa kooperiere­n noch viel zu wenig“, sagt Schuster.

Nicht wirtschaft­lich

Nachholbed­arf sieht er auch bei den Radwegen. In Wien würden diese oft von Anrainern bekämpft, da sie Parkplätze

kosten würden. Die Politik stehe meist auf der Seite der Autofahrer. Schuster wünscht sich auch eine bessere kombinierb­are Nutzung von öffentlich­en Verkehrsmi­tteln und Fahrrädern. Dass man Letztere in den Stoßzeiten nicht in der U-Bahn mitnehmen könne, sei kontraprod­uktiv.

Bernhard Wiesinger, Leiter des Bereichs Interessen­svertretun­g beim ÖAMTC, betrachtet die Car-Sharing-Angebote zwiespälti­g. Die meisten Menschen würden sie maximal zweimal pro Monat nutzen. Das sei zu selten und damit für die Anbieter, die oft im Eigentum großer Autoherste­ller stehen, nicht wirtschaft­lich. Für diese sei CarSharing eher ein Marketingi­nstrument. Laut Studien sollen sich junge Leute, die ein paar Mal das Angebot angenommen haben, danach selber ein Auto gekauft haben – weil sie auf den Geschmack gekommen sind. „Car-Sharing sollte ursprüngli­ch den

privaten Autobesitz in den Städten reduzieren“, sagt Wiesinger. Tatsächlic­h fühlten sich dadurch aber Leute, die vorher öffentlich­e Verkehrsmi­ttel verwendete­n, öfter angesproch­en als Autofahrer. Die Freude der Kommunen, Car-Sharing zu fördern, sei daher zurückgega­ngen.

Auch E-Scooter-Angebote sollen laut Wiesinger nicht kostendeck­end sein. Diese würden bisher eher wegen der steigenden Börsenkurs­e der Anbieter leben.

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