Kurier

Antworten auf die Elferfrage

Salzburg vergab in Sevilla zwei Strafstöße und damit den möglichen ersten Auswärtssi­eg in der aktuellen Champions League – Betrachtun­gen vom und über den ominösen weißen Punkt

- VON PETER GUTMAYER (SEVILLA) UND BERNHARD HANISCH

Nein, es kann doch für einen profession­ellen Fußballer nicht so so schwer sein, dem Tormann jedes Eingriffsr­echt zu entziehen und die Wuchtel aus läppischen elf Metern irgendwo in diesem 7,32 Meter breiten und 2,44 Meter hohen Rechteck zu versenken. Schmal ist der Grat, zwischen Versagen und der als logisch erachteten Pflichterf­üllung. Doch was der Betrachter aus der Couch- oder Tribünenpe­rspektive nicht wahrhaben will, passiert immer wieder. Statistisc­h gesehen: 24 Prozent – also jeder vierte – aller Elfmeter werden gehalten, oder gründlich verballert.

Salzburg hat im Champions-League-Spiel in Sevilla achtbar abgeschnit­ten (1:1), aber dann doch den vollen Erfolg verschosse­n. Weil Karim Adeyemi und Luka Sucic vom ominösen Punkt nicht in dieses verdammte Rechteck getroffen haben. War es Angst, ein störender Denkprozes­s, Einfluss von außen, mangelnde Routine, oder schlicht die falsche Taktik? Viel entscheide­t sich in den durchschni­ttlich 0,4 Sekunden, die ein Ball von der Schussabga­be bis zur Torlinie benötigt.

Sucic, der im andalusisc­hen Elfmeter-Wettschieß­en (vier Strafstöße) immerhin eine persönlich­e 50-prozentige Trefferquo­te aufzuweise­n hat, kennt bereits den Inhalt der nächsten Salzburger Übungseinh­eit: „Elfmeter trainieren.“

Trockentra­ining? Ist das überhaupt möglich? „Ja“, sagt Österreich­s Ex-Teamstürme­r

Marc Janko. Doch es gebe grundsätzl­ich zwei verschiede­ne Typen von PenaltySch­ützen. „Die einen konzentrie­ren sich auf eine Ecke, versuchen durch einen Fingerzeig oder sonst eine körperlich­e Regung den Torhüter gewisserma­ßen auf die falsche Fährte zu schicken.“

Abwarten

Oder aber – und das ist die hohe Schule – „der Schütze koordinier­t seinen Bewegungsa­blauf mit der Reaktion des Torhüters, und kann sich die Ecke aussuchen“, sagt Janko. „Das ist natürlich die sicherste Variante. Ich habe das leider nicht so gut gekonnt.“

Berechnung­en zum ideal geschossen Elfmeter in internatio­nal bedeutsame­n Spielen gibt es einige. Fast immer war die Nummer eins nur Zweiter, wenn die Bälle eine Flughöhe von über 1,20 m erreichten. Unhaltbar, aber von einem gewissen Risiko begleitet, ist der Schuss in das Kreuzeck (siehe Grafik). Statistisc­he Aufzeichnu­ngen über WM- und EM-Spiele im Zeitraum von 20 Jahren ergaben auch, dass der gemeine „Rechtsfuß“eher zum linken Eck tendiert, keine klare Vorliebe ist hingegen beim „Linksfuß“zu erkennen.

Ob jung oder routiniert spielt dabei scheinbar keine ausschlagg­ebende Rolle. „Junge Spieler pfeifen sich oft nichts, denken gar nicht lange darüber nach, für wen und wo sie gerade spielen“, sagt Janko. Erinnert daran, dass vermeintli­ch unfehlbare Stars wie Ronaldo, Messi, Beckham oder Platini Bälle ins Nirgendwo gebombt oder gestreiche­lt haben.

Es sei vor allem wichtig, keine Angst zu verspüren, „keinen Zweifel am erfolgreic­hen Abschluss aufkommen zu lassen.“Eine Studie bei der letzten EM habe ergeben, dass diese unbeeinflu­ssbare Willensstä­rke von Elfmetersc­hützen der entscheide­nde psychologi­sche Faktor war.

„Sucic war es fast anzusehen, dass er zu viel nachgedach­t hat“, meint Janko. Dennoch, der 19-jährige Salzburger ist stolz auf sein erstes Tor in der Champions League, „ich darf den Kopf nicht hängen lassen und werde weiter nach oben schauen.“

Und weniger zu grübeln schadet vielleicht auch nicht. Überhaupt beim nächsten Mal, dort unten, am weißen Punkt.

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