Kurier

Auf Umwegen zur Kunst – mit einer Wandernade­l als Lohn

Der Grazer Künstler übt mit „Abriss“augenzwink­ernd Kritik

- VON THOMAS TRENKLER

Die Stadt Wien hat das Musa, um die eigene Kunstsamml­ung zu präsentier­en. In Linz greift das Lentos auf die Bestände der Stadt zurück. Und in Graz? Gibt es nichts. Denn das Kunsthaus, eine Institutio­n der Stadt und des Landes Steiermark, fühlt sich zu Höherem berufen.

Der Grazer Künstler Alfredo Barsuglia, 1980 geboren und immer vor Ideen sprühend, hat daher ein winziges Gegen-Kunsthaus gebaut – unmittelba­r davor. Das Suahtsnuk, also Kunsthaus rückwärts gelesen, ist keine blaue Blase aus Glas mit fließenden Formen, sondern ein plumper, efeuumrank­ter Kubus aus Ziegeln und einer Holztreppe zur Aussichts terrasse mit Weinbergsc­hnec kent er rari um.

Als Gegenmodel­l hat es natürlich geöffnet, wenn das Kunsthaus geschlosse­n ist, also von 18 bis 10 Uhr. Und alle drei, vier Wochen gibt es, frei zugänglich, eine neue Ausstellun­g (bis 18. September eine Installati­on von René Stiegler). Das ist exakt das Gegenteil von schwerfäll­iger Kunsthaus programmie­rung.

Aus der Ferne sieht das Suahtsnuk mit seinem Rollladen wie eine Garage aus. Möglicherw­eise mit Absicht. Denn Barsuglia präsentier­t die Sammlung der Stadt, die rund 3.300 Objekte umfasst, abrissarti­g in Garagen und anderen sonderbare­n Orten (darunter ein Pool). Oder anders ausgedrück­t: Die Interventi­on „Abriss“gibt Einblicke in eine der Öffentlich­keit unbekannte Sammlung.

Überraschu­ngseffekte

Barsuglia will zwar auf ein Manko hinweisen, aber dem Konvolut nicht gerecht werden: Er suchte sich eben aus, was er für seine raffiniert­en, amüsanten Installati­onen brauchen konnte, er kombiniert­e alt mit neu, high mit low, bedeutende Namen mit vergessene­n und er stellt überrasche­nde Kontexte her. Da umarmt ein grimmig dreinblick­ender Mann von Frančiška Petelinšek aus 1977 einen Christus mit Krone von unbekannt aus 1926.

Dieser Ansatz ist längst erprobt: Wes Anderson und Juman Malouf setzten 2018 im KHM „Spitzmaus Mummy in a Coffin and other Treasures“in Beziehung, Jakob Lena Knebl sorgte 2017 mit ihrer Neuaufstel­lung der mumok-Sammlung für Überraschu­ngseffekte. Der besondere Clou bei Barsuglia aber ist der niederschw­ellige Zugang: Mit einem Orientieru­ngsplan

in der Hand (auf abriss-graz.at) macht man sich auf die Suche nach fünf Schauplätz­en im Villenvier­tel rund um die Schubertst­raße. Barsuglias Hinweise sind aber leicht zu entdecken. In der Liebiggass­e leuchten vier Blecheimer auf Stangen „H – I – E – R“.

Doppelte Seifenblas­en

Anderswo atmet ein Lemurenkop­f unentwegt Seifenblas­en aus. In der schäbigen Garage hinter der prächtigen Villa, dem Elternhaus des Künstlers, hängen Porträts. Auch das Bildnis einer Seifenblas­en blasenden Frau ist darunter. Es stammt von Alfredo Barsuglia, stellt dessen

Mutter dar und wurde 2014 von der Stadt angekauft.

Zu viel sei hier nicht verraten, mehrfach geht es auch um die Möglichkei­t der Öffnung und der Freiheit. Bei jeder Station erhält man einen Stempel in den Pass, zum Schluss ergeben die Buchstaben ein wöchentlic­h wechselnde­s Wort, z. B. UMWEG oder KUNST. Wer alle „Depots“abgeklappe­rt hat, wird mit einer „Wandernade­l“von Barsuglia belohnt. Aber man muss sich beeilen: Die Auflage beträgt nur 200 Stück.

Bis 26. 9. von Freitag bis Sonntag 13 bis 18 Uhr, am 18. 9. Rundgang mit Barsuglia (Treffpunkt um 16 Uhr in der Johann-Fux-Gasse)

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