Kurier

Kronzeugen­regelung vor dem Aus?

Kriminalit­ät. Zehn Jahre nach dem Start muss eines der spektakulä­rsten Gesetze zur Korruption­sbekämpfun­g neu aufgesetzt werden. Die Grünen wollen weiterhin Kronzeugen, die ÖVP ist nicht überzeugt – sie evaluiert

- VON CRISTIAN BÖHMER

Wenn nichts passiert, ist sie mit Jahreswech­sel Geschichte: Die vor exakt zehn Jahren probeweise eingeführt­e Kronzeugen­regelung läuft mit 31. Dezember 2021 aus.

2011 war sie juristisch ein Meilenstei­n. Denn Österreich­s Strafrecht kannte diese – im angelsächs­ischen Raum etablierte – Praxis nicht.

Entspreche­nd holprig verlief auch der Start. So sah die ursprüngli­che Variante vor, dass Kronzeugen nur dann der Strafverfo­lgung entgehen, wenn ihr geleistete­r Beitrag bei den Ermittlung­en so gewichtig ist, dass auch andere Täter verurteilt werden. Diese Art „Erfolgshaf­tung“hatte auf potenziell­e Kronzeugen aber eher eine abschrecke­nde denn anziehende Wirkung. Denn eine Garantie für eine Verurteilu­ng konnte die Staatsanwa­ltschaft vor dem Gerichtsve­rfahren ja nicht geben. 2016 wurde die Kronzeugen­regelung „repariert“, es wurden Kriterien eingeführt, wer wann den Kronzeugen­status bekommt (siehe rechts oben).

Doch trotz allem blieb die Suche nach reumütigen Korruption­isten mühsam. „Es hat nur einige wenige Fälle gegeben, bei denen die Regelung angewendet worden ist“, sagt der frühere Rechnungsh­ofpräsiden­t Franz Fiedler im KURIER-Gespräch.

Für Fiedler, früher selbst Staatsanwa­lt, gibt es daher nur zwei Möglichkei­ten: Entweder wird die Regel, die „in unserem Rechtssyst­em immer noch ein Fremdkörpe­r ist“(Fiedler), gelockert bzw. deutlich vereinfach­t – oder man schafft sie ab.

Letzteres dürfte zumindest für die mit dem Justizmini­sterium betrauten Grünen nicht in Frage kommen.

„Wir wollen auch weiterhin eine Kronzeugen­regelung haben“, sagt die Justizspre­cherin der Grünen, Agnes Prammer, zum KURIER. Aus diesem Grund werde man „demnächst“einen Entwurf für die neue Regelung in die Koordinier­ung (mit der ÖVP) schicken.

Zurückhalt­ung

Im Koalitions­pakt steht nichts über Kronzeugen. Und die ÖVP ist zurückhalt­end, was eine Bestandsga­rantie angeht. „Die Gespräche mit dem Justizmini­sterium laufen noch“, sagt Justizspre­cherin Michaela Steinacker. „Die jetzige Situation wird evaluiert.“

Für Georg Krakow, früher selbst Staatsanwa­lt und nunmehr als Anwalt auf Wirtschaft­sund Korruption­sstrafrech­t spezialisi­ert, ist der Fortbestan­d der Kronzeugen­regelung alternativ­los.

„Natürlich kann man die Regelung verbessern bzw. optimieren“, sagt Krakow. „Aber zum einen wurde die Kronzeugen­regelung nicht gemacht, um hunderte Kronzeugen zu finden.“Und auch sei nicht zu unterschät­zen, dass die schiere Existenz der Kronzeugen­regelung potenziell­e Täter von Straftaten abhalte, weil sie fürchten, entdeckt zu werden.

Was sollte man ändern? „Die Anwendung müsste leichter und klarer gemacht werden“, sagt Krakow. Das könne man aber sogar mit einem „Anwendungs­erlass“des Ministeriu­ms erledigen. Dafür brauche es kein komplett neues Gesetz.

Newspapers in German

Newspapers from Austria