Chinas „verweichlichte“Jugend
Umerziehung. Xi Jinpings Gedankengut wird zum Schulfach. Die Machtelite ärgert sich über die „abnormale“Jugendkultur
Die ältere Generation in der Staatsführung ärgert sich über die Ästhetik der modernen Jugendkultur und ortet feminine Tendenzen und falsche Schönheitsideale. Aus Angst vor einer „verweichlichten“Gesellschaft geht Chinas Staatsführung jetzt rigoros gegen Videospiele-Hersteller vor und verpflichtet sie zur Entfernung „unmännlicher“Inhalte. Aber auch in der Werbung, im Fernsehen und in der Modeindustrie soll die „abnormale“Ästhetik aus der Pop- und Jugendkultur verschwinden. Männer, die sich schminken und mit Ketten und Ringen schmücken, widersprechen „Xi Jinpings Gedankengut“.
Mehrere Schauspieler sind von der Bildfläche verschwunden. So auch Jugendidol Kris Wu (31), wegen „sexueller Belästigung“.
„Großvater Xi“
Die androgyne asiatische Ästhetik der modernen Jugendkultur ist der konservativen, älteren Generation in der Kommunistischen Partei zuwider. Vor allem „Großvater Xi“, 68 Jahre alt, ist diese „Unkultur“ein Dorn im Auge. Also wird sie verboten. Das Regime propagiert jetzt auch wieder althergebrachte Geschlechterrollen.
In Teilen der chinesischen Gesellschaft herrsche die Wahrnehmung vor, dass „feminine Männer körperlich schwach und emotional instabil sind“, sagt Professor Geng Song von der Universität Hongkong. Daraus schließt die Parteiführung, dass „weibliche“Männer „ihr Land nicht mehr verteidigen können“.
Um zu verhindern, dass auch eine neue Generation schwächelt und „verwestlicht“, müssen Schulkinder in einem neuen Fach die Gedankenwelt des auf Lebenszeit bestellten Staats- und Parteichefs Xi Jinping lernen. „Xi Jinpings Gedankengut über den Sozialismus chinesischer Prägung für eine neue Ära“soll jungen Menschen helfen, „den Glauben in den Marxismus aufzubauen und das Vertrauen in den Weg, die Theorie, das System und die Kultur des Sozialismus chinesischer Prägung zu stärken“, heißt es im Bildungsministerium.
Volksschulen müssen sich darauf konzentrieren, „die Liebe zum Vaterland, zur Kommunistischen Partei und zum Sozialismus zu kultivieren“, berichtete die linientreue Global Times.
In den Mittelschulen soll jungen Menschen mit diesem Wissen geholfen werden, politische Meinungen zu formulieren, während in den Hochschulen mehr die Theorie im Mittelpunkt stehe, hieß es. Die neuen Lehrinhalte sind Teil der zunehmenden Ideologisierung und des Personenkults um Xi Jinping.
Drei Stunden Video pro Woche
Zuletzt wurden Internet-Giganten wie Tencent und NetEase an die Leine genommen. Die Staatsführung beschränkte den Zugang zu OnlineSpielen für Minderjährige drastisch. Kinder und Jugendliche dürfen nur noch drei Stunden pro Woche spielen – und zwar freitags, samstags und sonntags jeweils von 20 bis 21 Uhr. Das wird im Überwachungsstaat streng kontrolliert.
In den sozialen Netzwerken geht es deshalb rund. Der Guardian berichtete, dass viele Eltern von „Gehirnwäsche“sprechen. In einem Bericht der Financial Times sagte die Mutter eines Zehnjährigen: „Ich hasse den Gedanken, dass Kinder gezwungen werden, Ideologien zu studieren.“Ein Vater meinte, er hoffe, dass seine Tochter das Gelernte nach den Prüfungen wieder vergesse. Auf der Plattform Weibo machen sich viele in blumigen Worten über „Großvater Xi“lustig, indem sie seine Worte immer und immer wieder wiederholen: „Es gäbe kein neues China ohne die Kommunistische Partei“oder „Der Schutz der nationalen Sicherheit ist jedes Bürgers Pflicht“oder „Wir folgen der Kommunistischen Partei mit ganzem Herzen“.