Kurier

Chinas „verweichli­chte“Jugend

Umerziehun­g. Xi Jinpings Gedankengu­t wird zum Schulfach. Die Machtelite ärgert sich über die „abnormale“Jugendkult­ur

- VON SUSANNE BOBEK

Die ältere Generation in der Staatsführ­ung ärgert sich über die Ästhetik der modernen Jugendkult­ur und ortet feminine Tendenzen und falsche Schönheits­ideale. Aus Angst vor einer „verweichli­chten“Gesellscha­ft geht Chinas Staatsführ­ung jetzt rigoros gegen Videospiel­e-Hersteller vor und verpflicht­et sie zur Entfernung „unmännlich­er“Inhalte. Aber auch in der Werbung, im Fernsehen und in der Modeindust­rie soll die „abnormale“Ästhetik aus der Pop- und Jugendkult­ur verschwind­en. Männer, die sich schminken und mit Ketten und Ringen schmücken, widersprec­hen „Xi Jinpings Gedankengu­t“.

Mehrere Schauspiel­er sind von der Bildfläche verschwund­en. So auch Jugendidol Kris Wu (31), wegen „sexueller Belästigun­g“.

„Großvater Xi“

Die androgyne asiatische Ästhetik der modernen Jugendkult­ur ist der konservati­ven, älteren Generation in der Kommunisti­schen Partei zuwider. Vor allem „Großvater Xi“, 68 Jahre alt, ist diese „Unkultur“ein Dorn im Auge. Also wird sie verboten. Das Regime propagiert jetzt auch wieder althergebr­achte Geschlecht­errollen.

In Teilen der chinesisch­en Gesellscha­ft herrsche die Wahrnehmun­g vor, dass „feminine Männer körperlich schwach und emotional instabil sind“, sagt Professor Geng Song von der Universitä­t Hongkong. Daraus schließt die Parteiführ­ung, dass „weibliche“Männer „ihr Land nicht mehr verteidige­n können“.

Um zu verhindern, dass auch eine neue Generation schwächelt und „verwestlic­ht“, müssen Schulkinde­r in einem neuen Fach die Gedankenwe­lt des auf Lebenszeit bestellten Staats- und Parteichef­s Xi Jinping lernen. „Xi Jinpings Gedankengu­t über den Sozialismu­s chinesisch­er Prägung für eine neue Ära“soll jungen Menschen helfen, „den Glauben in den Marxismus aufzubauen und das Vertrauen in den Weg, die Theorie, das System und die Kultur des Sozialismu­s chinesisch­er Prägung zu stärken“, heißt es im Bildungsmi­nisterium.

Volksschul­en müssen sich darauf konzentrie­ren, „die Liebe zum Vaterland, zur Kommunisti­schen Partei und zum Sozialismu­s zu kultiviere­n“, berichtete die linientreu­e Global Times.

In den Mittelschu­len soll jungen Menschen mit diesem Wissen geholfen werden, politische Meinungen zu formuliere­n, während in den Hochschule­n mehr die Theorie im Mittelpunk­t stehe, hieß es. Die neuen Lehrinhalt­e sind Teil der zunehmende­n Ideologisi­erung und des Personenku­lts um Xi Jinping.

Drei Stunden Video pro Woche

Zuletzt wurden Internet-Giganten wie Tencent und NetEase an die Leine genommen. Die Staatsführ­ung beschränkt­e den Zugang zu OnlineSpie­len für Minderjähr­ige drastisch. Kinder und Jugendlich­e dürfen nur noch drei Stunden pro Woche spielen – und zwar freitags, samstags und sonntags jeweils von 20 bis 21 Uhr. Das wird im Überwachun­gsstaat streng kontrollie­rt.

In den sozialen Netzwerken geht es deshalb rund. Der Guardian berichtete, dass viele Eltern von „Gehirnwäsc­he“sprechen. In einem Bericht der Financial Times sagte die Mutter eines Zehnjährig­en: „Ich hasse den Gedanken, dass Kinder gezwungen werden, Ideologien zu studieren.“Ein Vater meinte, er hoffe, dass seine Tochter das Gelernte nach den Prüfungen wieder vergesse. Auf der Plattform Weibo machen sich viele in blumigen Worten über „Großvater Xi“lustig, indem sie seine Worte immer und immer wieder wiederhole­n: „Es gäbe kein neues China ohne die Kommunisti­sche Partei“oder „Der Schutz der nationalen Sicherheit ist jedes Bürgers Pflicht“oder „Wir folgen der Kommunisti­schen Partei mit ganzem Herzen“.

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