Wieder eine auffällige Postenbesetzung
Enormer Zeitdruck bei der Chefsuche für die Datenhochburg der Republik, noch keine Hearings, lapidare Absagen an hoch qualifizierte Bewerber. Wunschkandidat dürfte feststehen
Die Zeit drängt. Am 1. November müssen die neuen Chefs des Bundesrechenzentrums ihr Amt antreten. Doch die Zeitknappheit ist nur eine der Auffälligkeiten. Es stellt sich die Frage, wie professionell diese Postenbesetzung überhaupt abläuft. Derzeit sieht es sehr danach aus, dass, wie im staatlichen Umfeld so oft, ein gesetzter Kandidat zum Zug kommen sollte.
Das 1.400 Mitarbeiter große Bundesrechenzentrum ist die Datenhochburg der Republik. Der Großteil der öffentlichen Verwaltung läuft über das BRZ – Ministerien, Bundeskanzleramt, Höchstgerichte, AMS etc. Das BRZ hat eines der größten Rechenzentren des Landes und sitzt auf riesigen, höchst sensiblen Datenbeständen. Zuständig ist das Wirtschaftsund Digitalisierungsministerium unter Margarete Schramböck (ÖVP).
Die Fünf-Jahres-Verträge der beiden Geschäftsführer, Christine Sumper-Billinger, 48, und Markus Kaiser, 49, sind schon mit 30. April ausgelaufen. Beide wurden nur provisorisch um ein halbes Jahr verlängert.
Das hat Seltenheitswert und schaut ganz danach aus, dass hier auf Zeit gespielt wird. Die Posten sind mit je 250.000 Euro Fixum und 30.000 Euro Boni gut dotiert. Als Personalberater wurde Korn Ferry beauftragt. Insgesamt haben sich um die 12 Kandidaten beworben. Darunter Top-Leute aus der Privatwirtschaft. Genau das aber scheint das Problem zu sein.
Über den Sommer passierte zunächst gar nichts. Erst kürzlich, etliche Wochen nach ihren Bewerbungen, erhielten hoch qualifizierte Kandidaten lapidare, kurz gefasste Absagen. Korn-FerrySenior Herbert Unterköfler habe es nicht einmal der Mühe wert gefunden, manche Bewerber überhaupt persönlich zu kontaktieren, wird gegenüber dem KURIER berichtet. Unterköfler war für eine Stellungnahme nicht erreichbar.
Wie zu hören ist, sollen nur jeweils drei Kandidaten ins Hearing kommen. Die Hearing-Termine sind noch immer nicht fixiert – sind ja nur noch sechs Wochen bis zum Dienstantritt.
Der Wunschkandidat für die wesentlich wichtigere technische Leitung soll längst feststehen. Genannt wird Hubert Wackerle. Der 55-Jährige ist Geschäftsführer der IT-SV, des IT-Dienstleistungsunternehmens der Sozialversicherungen mit 700 Mitarbeitern. Außerdem sitzt er im Vorstand der Vereinigung „Internetoffensive Österreich“, die in der Regierung zu Schramböck gehört.
Womit sich der Kreis schließen würde. Wackerle ist ein IT-Experte, in der Branche wird er allerdings als klares Signal dafür gesehen, dass man im Wirtschaftsministerium jemanden möchte, der sich nicht mit neuen, eigenständigen Ideen unbequem macht, sondern folgsam Gewünschtes administriert.
Die kaufmännische Geschäftsführerin Sumper-Billinger, die 2007 aus dem Kabinett des vormaligen Finanzministers Karl-Heinz Grasser ins BRZ wechselte, könnte sogar noch eine vierte Funktionsperiode schaffen.
Kaiser, dem SPÖ-Nähe nachgesagt wird, dürfte aus dem Rennen sein. Im BRZ wird kolportiert, dass ihn Schramböck nur zu einem einzigen Treffen eingeladen haben soll.
Im Ministerium will man die Vorgänge mit dem Hinweis auf ein laufendes Verfahren nicht kommentieren. Der Headhunter habe die Aufgabe, eine Shortlist und erste Reihung zur Vorbereitung der Hearings zu erstellen.
Viel Kritik
Die Herausforderungen für den neuen Chef sind enorm. Sofern man gewillt ist, etwas zu ändern. Die 351 Umsatzmillionen (2020) entfallen zum Großteil auf öffentliche Aufträge. Die Kundenzufriedenheit mit dem IT-Dienstleister der Republik sei miserabel, hört man in Auftraggeber-Kreisen. Die vorherrschende Einstellung: „Achtung, Kunde droht mit Auftrag“.
Auf ein Angebot warten Kunden sechs bis acht Wochen. Oft spielt das BRZ dabei nur den „Makler“und leitet Aufträge an private Subunternehmen weiter. Freilich, nicht ohne dafür eine Provision zu kassieren. Rund 50 Prozent des Umsatzes werden, erklärt ein Sprecher, extern erwirtschaftet. Zur Ehrenrettung des BRZ muss erwähnt werden, dass darunter auch saisonale Auftragsspitzen wie das Scanning für die Steuerausgleiche sind.
Die Stimmung in der Belegschaft sei nicht gut, hört man aus Mitarbeiterkreisen. Derzeit werden 98 Mitarbeiter gesucht. Wird bei dem Image des BRZ und dem ausgetrockneten IT-Arbeitsmarkt schwierig. Im BRZ verweist man dagegen auf die Auszeichnung als „Best Recruiter“. In der Hearingkommission ist übrigens auch der Betriebsrat vertreten.
Fragt sich, ob so viele neue Mitarbeiter benötigt werden. Insider schätzen, dass Effizienz und Produktivität um 20 bis 30 Prozent gesteigert werden könnten. So pflegt etwa jedes Ministerium seine digitalen Schrebergärten, ebenso wie das BRZ selbst. Alleine der Bund hat 12 Mail-Systeme.