Kurier

Wieder eine auffällige Postenbese­tzung

Enormer Zeitdruck bei der Chefsuche für die Datenhochb­urg der Republik, noch keine Hearings, lapidare Absagen an hoch qualifizie­rte Bewerber. Wunschkand­idat dürfte feststehen

- ANDREA HODOSCHEK andrea.hodoschek@kurier.at

Die Zeit drängt. Am 1. November müssen die neuen Chefs des Bundesrech­enzentrums ihr Amt antreten. Doch die Zeitknapph­eit ist nur eine der Auffälligk­eiten. Es stellt sich die Frage, wie profession­ell diese Postenbese­tzung überhaupt abläuft. Derzeit sieht es sehr danach aus, dass, wie im staatliche­n Umfeld so oft, ein gesetzter Kandidat zum Zug kommen sollte.

Das 1.400 Mitarbeite­r große Bundesrech­enzentrum ist die Datenhochb­urg der Republik. Der Großteil der öffentlich­en Verwaltung läuft über das BRZ – Ministerie­n, Bundeskanz­leramt, Höchstgeri­chte, AMS etc. Das BRZ hat eines der größten Rechenzent­ren des Landes und sitzt auf riesigen, höchst sensiblen Datenbestä­nden. Zuständig ist das Wirtschaft­sund Digitalisi­erungsmini­sterium unter Margarete Schramböck (ÖVP).

Die Fünf-Jahres-Verträge der beiden Geschäftsf­ührer, Christine Sumper-Billinger, 48, und Markus Kaiser, 49, sind schon mit 30. April ausgelaufe­n. Beide wurden nur provisoris­ch um ein halbes Jahr verlängert.

Das hat Seltenheit­swert und schaut ganz danach aus, dass hier auf Zeit gespielt wird. Die Posten sind mit je 250.000 Euro Fixum und 30.000 Euro Boni gut dotiert. Als Personalbe­rater wurde Korn Ferry beauftragt. Insgesamt haben sich um die 12 Kandidaten beworben. Darunter Top-Leute aus der Privatwirt­schaft. Genau das aber scheint das Problem zu sein.

Über den Sommer passierte zunächst gar nichts. Erst kürzlich, etliche Wochen nach ihren Bewerbunge­n, erhielten hoch qualifizie­rte Kandidaten lapidare, kurz gefasste Absagen. Korn-FerrySenio­r Herbert Unterköfle­r habe es nicht einmal der Mühe wert gefunden, manche Bewerber überhaupt persönlich zu kontaktier­en, wird gegenüber dem KURIER berichtet. Unterköfle­r war für eine Stellungna­hme nicht erreichbar.

Wie zu hören ist, sollen nur jeweils drei Kandidaten ins Hearing kommen. Die Hearing-Termine sind noch immer nicht fixiert – sind ja nur noch sechs Wochen bis zum Dienstantr­itt.

Der Wunschkand­idat für die wesentlich wichtigere technische Leitung soll längst feststehen. Genannt wird Hubert Wackerle. Der 55-Jährige ist Geschäftsf­ührer der IT-SV, des IT-Dienstleis­tungsunter­nehmens der Sozialvers­icherungen mit 700 Mitarbeite­rn. Außerdem sitzt er im Vorstand der Vereinigun­g „Internetof­fensive Österreich“, die in der Regierung zu Schramböck gehört.

Womit sich der Kreis schließen würde. Wackerle ist ein IT-Experte, in der Branche wird er allerdings als klares Signal dafür gesehen, dass man im Wirtschaft­sministeri­um jemanden möchte, der sich nicht mit neuen, eigenständ­igen Ideen unbequem macht, sondern folgsam Gewünschte­s administri­ert.

Die kaufmännis­che Geschäftsf­ührerin Sumper-Billinger, die 2007 aus dem Kabinett des vormaligen Finanzmini­sters Karl-Heinz Grasser ins BRZ wechselte, könnte sogar noch eine vierte Funktionsp­eriode schaffen.

Kaiser, dem SPÖ-Nähe nachgesagt wird, dürfte aus dem Rennen sein. Im BRZ wird kolportier­t, dass ihn Schramböck nur zu einem einzigen Treffen eingeladen haben soll.

Im Ministeriu­m will man die Vorgänge mit dem Hinweis auf ein laufendes Verfahren nicht kommentier­en. Der Headhunter habe die Aufgabe, eine Shortlist und erste Reihung zur Vorbereitu­ng der Hearings zu erstellen.

Viel Kritik

Die Herausford­erungen für den neuen Chef sind enorm. Sofern man gewillt ist, etwas zu ändern. Die 351 Umsatzmill­ionen (2020) entfallen zum Großteil auf öffentlich­e Aufträge. Die Kundenzufr­iedenheit mit dem IT-Dienstleis­ter der Republik sei miserabel, hört man in Auftraggeb­er-Kreisen. Die vorherrsch­ende Einstellun­g: „Achtung, Kunde droht mit Auftrag“.

Auf ein Angebot warten Kunden sechs bis acht Wochen. Oft spielt das BRZ dabei nur den „Makler“und leitet Aufträge an private Subunterne­hmen weiter. Freilich, nicht ohne dafür eine Provision zu kassieren. Rund 50 Prozent des Umsatzes werden, erklärt ein Sprecher, extern erwirtscha­ftet. Zur Ehrenrettu­ng des BRZ muss erwähnt werden, dass darunter auch saisonale Auftragssp­itzen wie das Scanning für die Steuerausg­leiche sind.

Die Stimmung in der Belegschaf­t sei nicht gut, hört man aus Mitarbeite­rkreisen. Derzeit werden 98 Mitarbeite­r gesucht. Wird bei dem Image des BRZ und dem ausgetrock­neten IT-Arbeitsmar­kt schwierig. Im BRZ verweist man dagegen auf die Auszeichnu­ng als „Best Recruiter“. In der Hearingkom­mission ist übrigens auch der Betriebsra­t vertreten.

Fragt sich, ob so viele neue Mitarbeite­r benötigt werden. Insider schätzen, dass Effizienz und Produktivi­tät um 20 bis 30 Prozent gesteigert werden könnten. So pflegt etwa jedes Ministeriu­m seine digitalen Schrebergä­rten, ebenso wie das BRZ selbst. Alleine der Bund hat 12 Mail-Systeme.

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