Kurier

Vom (Un-)Glück der Liebe

Scenes From A Marriage. Ingmar Bergmans Klassiker aus den 1970ern neu erzählt, mit Oscar Isaac und Jessica Chastain in den Hauptrolle­n

- VON NINA OBERBUCHER

Fast 50 Jahre ist es her, dass der schwedisch­e Filmemache­r Ingmar Bergman in der Mini-Serie „Szenen einer Ehe“mit Liv Ullman und Erland Josephson das Ende einer scheinbar unerschütt­erlichen Beziehung in all seinen schmerzhaf­ten Facetten gezeigt hat. Später erschien auch eine kürzere Filmfassun­g (zu leihen via Amazon Prime Video).

Der US-Sender HBO hat den Klassiker nun neu erzählen lassen (hierzuland­e ist die fünfteilig­e Serie bei Sky zu sehen) – unter umgekehrte­n Vorzeichen: Denn anstelle des Mannes ist es im Jahr 2021 die Frau, die eine Affäre beginnt und die vermeintli­che Paaridylle verlässt.

Beziehungs­geheimnis

Ein vielsagend­es Interview mit den Eheleuten, um die sich alles dreht, steht auch in der neuen Serie am Anfang: Für eine wissenscha­ftliche Arbeit sollen Jonathan (Oscar Isaac) und Mira (Jessica Chastain) über das Geheimnis ihrer langen Beziehung sprechen. Beide sind erfolgreic­h, verdienen gut und leben mit ihrer Tochter Eva in einem schicken Eigenheim,

in dem alle Möbelstück­e zusammenpa­ssen. Mira hat in der Tech-Branche Karriere gemacht, Jonathan ist Wissenscha­fter und kümmert sich in erster Linie um Kind und Haushalt. Nach außen hin scheinen die beiden eine perfekte Ehe zu führen, doch Miras Körperspra­che und die nervösen Blicke aufs Handy verraten noch während des Interviews in der Einstiegss­zene, dass hier etwas nicht

stimmt. Lediglich Jonathan scheint das nicht wahrhaben zu wollen. Später wird Mira ihm beichten, dass sie sich in ihren jüngeren Arbeitskol­legen Poli verliebt hat und mit ihm für einige Monate ins Ausland gehen wird.

Wechselbad

„Scenes From A Marriage“zeigt in harten Detailaufn­ahmen, wie eine Ehe in die Brüche geht und wie sich dabei

die ganze Palette an Emotionen entlädt: von Enttäuschu­ng, Wut und Trauer bis hin zu gegenseiti­gem Verständni­s, wiederentd­eckter Anziehung und Hoffnung auf einen Neuanfang. Der Wechsel erfolgt oft innerhalb weniger Minuten.

Für Drehbuch und Regie des Remakes verantwort­lich zeichnet der israelisch­e Filmemache­r Hagai Levi, der u. a. für die Therapiese­rie „BeTipul“

bekannt ist, die mittlerwei­le Ableger auf der ganzen Welt hat (in den USA „In Treatment“, in Frankreich „En Thérapie“). Bei „BeTipul“wie auch bei „Scenes From A Marriage“stehen dichte Dialoge im Mittelpunk­t: Zwischen den einzelnen Episoden finden größere Zeitsprüng­e statt, in denen die eigentlich­e Handlung vor sich geht. „On screen“wird dann hauptsächl­ich darüber geredet, ohne ablenkende Effekte oder viel Musik.

Liebeselen­d

Die Aussicht, sich fünf Stunden lang Beziehungs­elend zu geben, mag wenig verlockend klingen, doch Isaac und Chastain überzeugen mit ihrem intensiven Spiel.

Schade ist, dass wir Jonathan, seine Backstory und seine Motivation besser kennenlern­en und bei Mira mehr im Dunkeln zu bleiben scheint. Das Grundgerüs­t von Bergman bleibt bestehen, die Übersetzun­g ins Amerika der Jetzt-Zeit und auch der Rollentaus­ch ändern am Endergebni­s des sehenswert­en Kammerspie­ls jedoch wenig.

Die Mini-Serie „Scenes From A Marriage“ist seit dieser Woche bei Sky zu sehen.

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