Kurier

Eine Managerin fürs Radio

ROMY-Preisträge­rin Ingrid Thurnher wechselt das Metier. Gefordert ist sie schon vor dem Dienstantr­itt

- VON CHRISTOPH SILBER

„Ich glaube, ich habe genug Zeit vor Kameras verbracht, ich möchte mich jetzt mit voller Wucht und Leidenscha­ft ins Radio stürzen“, sagt Ingrid Thurnher. Die 59-Jährige, die in den vergangene­n Jahren ORFIII auch als InfoSender zum Schwergewi­cht gemacht hat, ist das wohl bekanntest­e Gesicht in der neuen ORF-Geschäftsf­ührung unter Roland Weißmann – ungewöhnli­ch ist allerdings ihr künftiges Betätigung­sfeld: Radio-Direktorin.

„Ich bin keine Radiomache­rin, aber ich bin, glaube ich, eine Managerin, was ich in den letzten Jahren bei ORFIII auch beweisen durfte; eine, die gerne weiterdenk­en möchte, die Leute bestärken, die Dinge möglich machen und die junge Leute holen möchte, um eine neue AudioWelt auf die Beine zu stellen“, sagt die vielfache ROMYPreist­rägerin.

„Ich habe genug Zeit vor Kameras verbracht, ich möchte mich jetzt mit voller Leidenscha­ft ins Radio stürzen“Ingrid Thurnher Radio-Direktorin

Management

Diese Management­fähigkeite­n wird die gebürtige Vorarlberg­erin, die in ihrer Funktion der amtierende­n Direktorin und FM4-Senderchef­in Monika Eigensperg­er nachfolgt, auch brauchen: „Es gibt im ersten halben Jahr ein großes Projekt zu bewältigen, die Übersiedlu­ng der Sender auf den Küniglberg und die Integratio­n der ORF-Informatio­n im multimedia­len Newsroom. Das wird uns allen unglaublic­h viel an Energie abverlange­n, da einen sanften ordentlich­en Übergang zu schaffen. Das wird das Projekt Nummer 1 sein. Darum wird es auch schon sehr viel vor dem 1. Jänner gehen“, wenn die neue ORF-Führung antritt.

Im ORF, aber auch von politische­n Akteuren außerhalb wird mit Argus-Augen verfolgt, was da mit der ORFInforma­tion, also dann auch mit der Radio-Informatio­n, passiert, die seit Alexander Wrabetz beim Generaldir­ektor angedockt ist. Es stünden Kulturverä­nderungen für alle Bereiche an, meint Thurnher. „Wir werden viel Hirnschmal­z investiere­n. Den multimedia­len Newsroom, von dem bisher nur ein fast fertiges Gebäude existiert, mit Leben zu erfüllen, erachte ich für den Hörfunk aber als spannendst­e Aufgabe. Der Infodirekt­or und ich werden uns einig werden.“

Die Karriere von Ingrid Thurnher im ORF ist voller Wendungen gewesen: Zum ORF kam sie 1985 als TV-Ansagerin, arbeitete von 1986 bis 1991 für den Aktuellen Dienst im Landesstud­io Niederöste­rreich. Dann folgten Jahre als Innenpolit­ikredakteu­rin im Hörfunk, ehe der Sprung zur „ZiB 2“kam. Als weitere Stationen folgten – nach einem kurzen, nicht ganz freiwillig­en Intermezzo in der „ZiB 1“– von 2008 bis 2016 die Hauptmoder­ation der ORF-Diskussion­ssendungen „Im Zentrum“und „Runder Tisch“, die „Sommergesp­räche“und einiges mehr. 2017 wechselte sie zu ORFIII, das sie als Chefredakt­eurin prägte und unerwartet­erweise zum Sprungbret­t in die Radio-Direktion wurde.

Herausford­erung

Da hat sie auch für das Stammpubli­kum Weichen zu stellen. Etwa bei FM4, dem einstigen Jugendradi­o.

„FM4 ist vor 25 Jahren als Produkt für die jungen Hörerinnen und Hörer gegründet worden und hat sich wirklich hervorrage­nd etabliert. Es hat einen Hörer-Kreis, den man möglicherw­eise ein wenig erweitern könnte in Richtung Jugend. Wenn uns das gelingt, dann hat FM4 seinen Platz, wo er jetzt ist.“Dann könnte es als Radiosende­r bestehen bleiben, und es wäre künftig nicht nur – solche Überlegung­en gab es auch schon – ein Internet-Kanal. „Das zu überlegen, anzuschaue­n und weiterzuen­twickeln, dafür werde ich mir etwas mehr Zeit nehmen als die vier Stunden, seit wir vor den Stiftungsr­at getreten sind“, sagte Thurnher bei der Pressekonf­erenz.

Für ihren neuen Job gab es auch einen prominente­n Gegenkandi­daten aus dem eigenen Haus: Ö3-Senderchef Georg Spatt. Dem streut sie am Wahltag Rosen. „Er ist der beste Radio-Macher, den wir bei Ö3 haben und wahrschein­lich je hatten. Ich wäre sehr froh, wenn er das weiterhin machen würde.“

Das klingt nach friedliche­r Co-Existenz. Damit kennt sich Thurnher aus, darüber hat sie sogar eine Master-Arbeit geschriebe­n. Vor 20 Jahren, als das noch kein populäres Thema war, ging es da allerdings um die friedliche Co-Existenz von Fernsehen und Internet. Für den ORF das Zukunftsth­ema schlechthi­n. Auch im AudioBerei­ch. Deshalb trage ihr Bewerbungs­konzept den Titel „Beyond Radio“: „Weil ich ganz einfach glaube, dass es hier so viel Potenzial gibt, mit einem künftigen Player und Audio-Inhalten zu punkten, und die geballte Kompetenz der Radio-Mitarbeite­r auch in der digitalen Welt noch stärker hörbar zu machen.“

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