Kurier

Energiewen­de wird von den Reichen gezahlt

Luca de Meo. Der Renault-Chef über die Chipkrise, was Kleinwagen mit Smartphone­s zu tun haben und den Twizy

- VON HORST BAUER

Seit rund einem Jahr ist der frühere Seat-Chef Luca de Meo an der Spitze des Renault-Konzerns. Der Italiener wurde geholt, um den französisc­hen Autoherste­ller aus den roten Zahlen zu holen und zukunftsfä­hig aufzustell­en. Mit dem KURIER sprach Luca de Meo über ...

... die Versorgung­skrise mit Mikrochips

„Vor rund acht Monaten haben wir bemerkt, dass es bei den Halbleiter­n eine Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage gibt. Die Halbleiter-Industrie hat darauf reagiert und in zusätzlich­e Produktion­skapazität investiert, die, wie versproche­n, Mitte des Jahres bereit war. Dann ist es aber zu einem massiven Ausbruch der Covid-Pandemie in Südostasie­n gekommen. In Malaysia etwa wurde ein Lockdown für vier Wochen verhängt. Dadurch konnte dort vier Wochen lang nicht gearbeitet werden, wo die aus anderen Ländern gelieferte­n Teile zusammenge­fügt werden. Dadurch hat sich das aktuelle Loch in der Produktion ergeben. Jetzt wird in Malaysia wieder gearbeitet, daher sollte es ab November besser werden. Aber wir werden wohl bis Ende 2022 darunter leiden.“

... die Verteuerun­g von Kleinwagen

„Man muss akzeptiere­n, dass Autos in Hinkunft teurer werden. Genau so wie Smartphone­s heute viel mehr kosten als früher die NokiaTelef­one mit den Knöpfen. Der Grund dafür ist einfach die teurere Technik, die in Autos in Hinkunft wegen der strengen Vorgaben eingebaut werden muss. Was niemand sagt ist, dass die Energiewen­de von den Reichen gezahlt werden wird. Das ist zwar unpopulär, aber es war immer schon so. Meine Kinder etwa hatten 2007 noch kein Smartphone. Nur ich habe ein iPhone gehabt. 2012 haben dann auch sie schon eines verwendet. Wir müssen also so begehrensw­erte Autos machen, dass die Leute sich so ein Smartphone kaufen wollen, statt das Ding mit den Knöpfen.“

... die Erhöhung des Gleichteil­e-Anteils in der Produktion

„In der Allianz mit Nissan haben wir 80 Prozent Gleichteil­e bei den Produkten beider Hersteller vorgesehen. Es könnte auch mehr sein, aber man darf eines nicht vergessen: Alle wurden daraufhin trainiert, zu glauben, je mehr Gleichteil­e man hat, umso besser ist es für das Geschäft. Aber wenn man einen schlechten Teil verwendet, ist der schlecht für alle. Da hat man dann ein großes Problem. Viele in der Autoindust­rie glauben, dass Größe die Lösung sei. Aber ich habe auch erlebt, wie Größe Firmen umgebracht hat.“

... die nächste Herausford­erung für die Autoindust­rie

„In den vergangene­n Jahren hat sich alles in der Branche um die Energiewen­de gedreht. Aber die größte Aufgabe für uns wird die Integratio­n des Autos in die Datenwelt. Also die richtige Nutzung all der Möglichkei­ten, welche die Software dem Konsumente­n gibt. Das wird eine größere Herausford­erung, als es der Umstieg von Verbrenner­n auf Elektroaut­os war.“

... Autonomes Fahren als Geschäftsm­odell

„Meine erste Frage beim Thema Autonomes Fahren lautet immer: „Wie kann ich damit etwas verdienen?“Dieses Thema wurde vor ein paar Jahren stark gehypt. In meiner Zeit bei Audi haben die Ingenieure diskutiert, wie man einen A8 mit 250 km/h über die Autobahn fahren lassen könnte, während der Fahrer die Zeitung liest. Diese Euphorie ist dann etwas gebremst worden. Jetzt kommt das Thema langsam wieder zurück, weil die Kosten runtergehe­n und man sich mehr auf Teilbereic­he konzentrie­ret. Die Technik wird sich dort durchsetze­n können, wo ein Geschäftsm­odell dahinter steht. Etwa in der Taxi-Branche. Wenn das Auto selbst fährt, muss ich keinen Fahrer bezahlen. Damit ist das Geschäftsm­odell klar. Aber nur für Uber, nicht für mich. Ich bezahle keinen Fahrer, ich verkaufe das Auto.“

... den Twizy als Modellfall eines Problems von Renault

„Der Twizy ist ein geniales Konzept. Nur die Umsetzung war schlecht. Das ist ein typisches Problem von Renault. Oft entwickeln wir ein geniales Modell, setzen es aber nicht entspreche­nd um. Stattdesse­n kommt Volkswagen und macht etwas daraus, wie etwa den Touran. Beim Elektroaut­o war es genauso. Wir haben es im Jahr 2012 vorgestell­t und uns 2016 schon wieder gefragt, ob das ein gutes Konzept ist und dann die Entwicklun­g gestoppt. Um später wieder neu anzufangen. Eine meiner Aufgabe ist es daher, Renault mehr Beständigk­eit zu geben.“

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Seit einem Jahr der neue Chef von Renault: Luca de Meo soll dem angeschlag­enen Autokonzer­n mit Marken von Dacia bis Alpine wieder auf die Beine helfen und ihn zukunftsfä­hig machen

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