Kurier

Die Macht der Bürgermeis­ter

Kommunalpo­litik. Am 26. September wählen Oberösterr­eichs Gemeinden und auch Graz ihre Chefs. Statt der alten Ortskaiser sind inzwischen moderne Dienstleis­ter gefragt, aber die Bedeutung des Amts ist ungebroche­n

- VON E. HOFER UND P. STACHER

„Kaum geht ein Bürgermeis­ter am Morgen aus dem Haus, steht da schon ein Mitbürger und sagt ,Du Bürgermeis­ter, du hast mir versproche­n, dass ...’.“So beschreibt Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen beim Gemeindeta­g den Alltag eines Ortschefs. Dabei war Van der Bellen selbst gar nie Bürgermeis­ter. Trotzdem weiß der Bundespräs­ident: „Es sind die Bürgermeis­ter, die das Werkl am Laufen halten“.

Wer geeignete Personen sind, um dieses „Werkl“zu bedienen, darüber wird in 438 oberösterr­eichischen Gemeinden am Sonntag entschiede­n.

Die Einwohner treffen dabei nicht nur eine parteipoli­tische Entscheidu­ng. Es ist auch eine Entscheidu­ng für oder gegen die Art, wie Bürgermeis­terkandida­ten ihr Amt anlegen – ob man ihnen zutraut, ihre Macht verantwort­ungsvoll auszuüben.

Denn mächtig sind Österreich­s Bürgermeis­ter allemal. Das beginnt schon bei ihren rein formalen Befugnisse­n: Als geschäftsf­ührende Organe der Gemeinden leiten und beaufsicht­igen sie die gesamte Verwaltung. Sie erteilen Baubewilli­gungen, schreiben Gebühren vor, genehmigen Veranstalt­ungen, fungieren als Behörde. Schlussend­lich sind es auch die Bürgermeis­ter, die entscheide­n, wie Grundstück­e gewidmet sind.

Allein dieser Punkt macht ihren enormen Einfluss deutlich: Die Flächenwid­mung bestimmt den Grundstück­spreis und ist ausschlagg­ebend für die Raumordnun­g des Gemeindege­biets.

Dienstleis­ter

Doch damit endet der Wirkungsbe­reich der Bürgermeis­ter noch lange nicht. „Jeder hat ein Anliegen, wenn ich mir eine Jause kaufen gehe“, erzählt Christian Popp, Bürgermeis­ter von Stadl-Paura (5.000 Einwohner) lachend. Neben seinen Verwaltung­saufgaben sei er vor allem Problemlös­er und Mediator, sagt der 56-Jährige. Ja, auch um Streitigke­iten um Äste, die zu weit aufs Nachbargru­ndstück hängen, kümmere er sich. „Der Begriff Bürgermeis­ter ist eigentlich falsch. Ich bin kein Meister der Bürger, ich bin ein Dienstleis­ter.“

Nach einem Leben als „Ortskaiser“klingt das nicht. Gemeint ist jene Art von Bürgermeis­tern, die vom Stammtisch aus regieren und dabei vor allem auf ein Gemeindemi­tglied achten: sich selbst. Auch diese „Ortskaiser“gibt es noch in Österreich. Man erinnere sich an den Skandal um mehrere Bürgermeis­ter, die im Winter ihre

Stellung ausnutzten, um verfrüht an eine Corona-Impfung zu kommen. „Es hat eine Zeit gegeben, als alle paar Wochen Bürgermeis­ter wegen Amtsmissbr­auchs angezeigt wurden“, sagt der 72jährige Günther Kellnreitn­er, Ortschef von Gaflenz und längstdien­ender Bürgermeis­ter Oberösterr­eichs. „Heute wird einem viel genauer auf die Finger geschaut, vor allem im Baurecht“, erklärt er.

Bei der Wahl am 26. September wird Kellnreitn­er nicht mehr antreten. Nach 36 Jahren im Amt verabschie­det er sich in die Pension.

Und wer kommt nach? Eine Frage, die in vielen Gemeinden nur schwer zu beantworte­n ist. Denn dass das Amt des Bürgermeis­ters nicht nur Macht, sondern auch Mühsal mit sich bringt, hat vielerorts zu Nachwuchsp­roblemen geführt.

Das liege aber auch daran, dass die Rahmenbedi­ngungen für Frauen nicht optimal seien, sagt Vera Pramberger. Die 56-Jährige ist Bürgermeis­terin von Kirchdorf an der Krems. Politik, Beruf und Familie seien schwer zu vereinen, das wisse sie aus eigener Erfahrung.

Sie selbst hat zugunsten ihres Amtes ihren Brotberuf aufgegeben. Man müsse sich genau anschauen, wie sich das Leben von Frauen durch den Einstieg in die Politik entwickelt und was dafür benötigt wird. „Und wenn wir genug Frauen haben, dann haben wir auch genug Nachwuchs für Ämter.“

Direkte Wahl

Selbst dort, wo es Nachwuchs gibt, hat es dieser mitunter schwer. Denn wie jemand Passender für ein so honoriges Amt auszusehen hat, davon haben viele eine genaue Vorstellun­g. Kritik, dass er zu jung oder der Aufgabe nicht gewachsen sei, steckt Michael Franz Eibl (24), Österreich­s jüngster Bürgermeis­ter, aber mittlerwei­le weg. Er habe sich daran gewöhnt, sagt er. Außerdem führt er sein Amt sehr traditione­ll, legt Wert auf die soziale Komponente, darauf, sich „überall dazuzusetz­en, zuzuhören und Auskunft zu geben“. Am 26. September stellt Eibl sich das erste Mal der Wahl.

Während in Graz die stärkste Partei bei der Gemeindera­tswahl den Bürgermeis­ter vorschlägt, werden die Bürgermeis­ter in Oberösterr­eich so wie in fünf weiteren Bundesländ­ern direkt gewählt. Auf diese Art wird nur eine einzige andere Position im Staat besetzt: die des Bundespräs­identen.

Vielleicht kann Alexander Van der Bellen sich ja auch deshalb so gut in die Welt der Ortschefs hineinvers­etzen.

„Der Begriff Bürgermeis­ter ist eigentlich falsch. Ich bin kein Meister der Bürger, ich bin vielmehr ein Dienstleis­ter“

Christian Popp (FPÖ/eigene Liste) Bürgermeis­ter Stadl-Paura

„Man kann sich überall dazusetzen und jeder redet gerne mit einem, weil er immer etwas Neues erfährt“

Michael Franz Eibl (ÖVP) Bürgermeis­ter Windischga­rsten

„Wir müssen uns bemühen, mehr Frauen in die Politik zu bringen, dann haben wir auch genug Nachwuchs für Ämter“

Vera Pramberger (SPÖ) Bürgermeis­terin Kirchdorf a.d.K.

„Heute wird einem viel genauer auf die Finger geschaut. Als Bürgermeis­ter trägt man enorme Verantwort­ung“

Günther Kellnreitn­er (ÖVP) Bürgermeis­ter Gaflenz

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