Interview der Woche
sich genug andere den Stich geben, muss ich mich nicht impfen lassen. Der Umgang mit Krisen ist langsam, reaktiv und wie ein Brennglas für unser infiziertes Denken. In einigen Ländern wie Norwegen, Schottland oder Dänemark ist die Impfquote trotzdem höher als in Mitteleuropa. Was unterschiedet diese Länder? Sie sind nicht so extrem vom Donald-Trump-Fake-NewsPhänomen – heute so und morgen so – und der Absolutheit der Twitter-Headlines geprägt. In diesen Ländern ist die Bereitschaft für den kollektiven Einsatz größer. Sie sagen sich: „Wir tun es für alle“.
Wie schaut der Ausweg aus dem infizierten Denken aus?
Wir rücken mehr zusammen, Kulturen vermischen sich, die Sprachen werden ähnlicher und dennoch sind wir gefühlt gespaltener als je zu vor. Das bedeutet, wir brauchen nicht eine Wissensgesellschaft, denn Wissen bedeutet nicht Verstehen. Wir brauchen viel mehr eine Gesellschaft des Verstandes. Also die Fähigkeit, mit Informationen umzugehen. Kollaboration, KoKreation, Diskussion, Navigieren, Sachen verstehen, Interpretation – das sind wichtige Fähigkeiten, die die Menschen durch die Verabsolutierung zunehmend verlernen. Das heißt, wir müssen unsere Bildungssysteme anpassen und das Grundprinzip der Bildung in unsere Schulen bringen: Lernen zu lernen.
Sie sprechen davon, dass wir uns in einer Gefangenschaft von Selbstverständlichkeiten befinden. Mit Bequemlichkeit kann man nicht den Klimawandel schaffen. Können wir Krisen überhaupt noch bewältigen?
Am Freitag vor der deutschen Wahl ist ein großer Klimastreik angesetzt. Ich bin mir sicher, der Klimastreik wird kontraproduktiv für die Grünen sein. Die Menschen werden aus Bequemlichkeit die CDU/CSU wählen. Die Stabilität und das Bewahren des Ist-Zustandes ist ihnen wichtiger. Deswegen sage ich: Die Agenda für Limitieren und Regulieren ist nicht ausreichend bei einer egozentrischen Menschheit. Es ist schon wichtig, dass wir uns von der Dekadenzgesellschaft verabschieden. Canapé und Chardonnay kann es nicht zu jeder Mahlzeit geben. Es ist auch wichtig, dass wir eine perfekte Kreislaufwirtschaft schaffen. Der dritte Punkt ist eine Öko-Utopie statt einer Ökohysterie. Werden wir aufhören, mit dem Flugzeug unterwegs zu sein? Nein, werden wir nicht. Deswegen müssen wir energiebefreite Flugzeuge herstellen. Dafür benötigt es aber milliardenhohe