Kurier

Steilpässe in modernere Zeiten

Fußballbun­d. Ehemalige Teamspiele­r fordern ein Ende von verstaubte­n Strukturen und regen eine klare Trennung von Profi- und Amateurfuß­ball an. Mehr Experten sollen über das A-Team entscheide­n

- VON ALEXANDER STRECHA

Der ÖFB und seine Struktur rund um die Gremien. Die Thematik gleicht einem Epos, dem immer wieder ein neues Kapitel hinzugefüg­t wird. Derzeit gewinnt es an Aktualität, weil mit Gerhard Milletich ein neuer Präsident bestimmt wurde, in naher Zukunft könnte auch wieder das Prozedere der Teamchefbe­stellung zur Anwendung kommen. In der Vergangenh­eit war genau dieser Ablauf ein heftiger Kritikpunk­t bei Teamspiele­rn, die sogleich von manchen Landespräs­identen einen öffentlich­en Rüffel erhielten.

Damals wurde eine Reform für einen ÖFB gefordert, der den Erforderni­ssen des modernen Profifußba­lls gerecht werden sollte. Schon bei der Bestellung von Franco Foda wurde eine Sportkommi­ssion zurate gezogen, es wurden die Namen Herzog, Fink und Foda vorgeschla­gen. Danach einigte man sich ÖFB-intern auf eine noch intensiver­e Herangehen­sweise, wie ÖFB-Generalsek­retär Thomas Hollerer bestätigt und sie auch Milletich in Zukunft anstrebt.

Der Ablauf sieht vor, dass das Präsidium den Sportdirek­tor mit der Teamchefsu­che beauftrage­n würde. Der Sportdirek­tor soll dabei die Sportkommi­ssion befragen, die paritätisc­h mit Experten aus ÖFB und Bundesliga besetzt wird. Milletich: „Wir wollen diese Fachkompet­enz. Sportdirek­tor und Sportkommi­ssion sollen Vorschläge machen und eine Auswahl aufbereite­n, wonach man abklären kann, ob man sich die Kandidaten auch leisten kann. Ich möchte, dass mehr Fachleute dabei mitwirken.“

Klingt gut.

196-fache Expertise

Der KURIER hat mit drei verdienstv­ollen Ex-Nationalte­amspielern über den ÖFB gesprochen und um konstrukti­ve Anregungen gebeten. Marc Janko, KURIER-Kolumnist und 70-facher Teamspiele­r, Martin Harnik (68 Spiele) und Martin Stranzl (56 Spiele).

Was allen gemein ist: der österreich­ische Fußball liegt ihnen am Herzen, sie haben in starken europäisch­en Ligen den modernen Profi-Kick kennengele­rnt und wissen, worauf es ankommt, um erfolgreic­h zu sein. Unisono fordern sie eine strikte Trennung innerhalb des ÖFB zwischen Amateur- und Profifußba­ll.

„Die Landespräs­identen haben ihre Verdienste im Amateurspo­rt, was extrem wichtig ist. Diese Aufgaben darf und soll man ihnen auch nicht wegnehmen“, meint Janko. „Aber sie dürfen nicht im Profiberei­ch mitreden.“Allen voran beim A-Nationalte­am und den dazu gehörigen Bereichen. „Dort herrschen andere Voraussetz­ungen, eine andere Dynamik. Alles andere wäre nicht mehr zeitgemäß. Da muss der ÖFB diesbezügl­ich in der JetztZeit ankommen.“

Klare Verantwort­ung

Martin Harnik möchte betonen, dass er das Geschehen rund um den ÖFB derzeit aus dem fernen Hamburg betrachtet. „Ich bin nicht komplett im Detail in dem Thema drinnen. Aber so ein Verband ist grundsätzl­ich ein großes Unternehme­n. Da müssen die Strukturen klar sein. Die Landespräs­identen sind Amateure, das soll bitte schön ja nicht despektier­lich klingen.“Es gäbe zwei Sparten, andere Kompetenze­n, die ein anderes Know-how erfordern.

Für Harnik stellt sich auch die Frage der Verantwort­lichkeit. „Es müssen jene greifbar sein, die die Entscheidu­ng treffen. Der A-Teamchef ist eine große Entscheidu­ng, da darf sich dann niemand wegducken.“

In der Vergangenh­eit hat meistens das ÖFB-Präsidium über den Teamchef entschiede­n, sprich die Landespräs­identen plus Beteiligun­g der Liga. Janko fordert: „Profis für den Profiberei­ch, die wissen, was vonnöten ist. Das Rundherum ist extrem wichtig.“

Klare Ausrichtun­g

Martin Stranzl, der sich sehr mit dem Nachwuchsf­ußball in Österreich beschäftig­t, teilt die Meinung seiner Kollegen nach einer klaren Trennung der Bereiche. „Die Landespräs­identen sind große Fans, die den Fußball lieben und fördern. Die fachliche Expertise ist aber die andere Seite. Sie besitzen wiederum eine wichtige Funktion, da sie Kontakte zu Sponsoren und in die Wirtschaft pflegen, dorthin gut vernetzt sind.“Gute Kontakte sind das eine, sportliche Belange das andere. „Die Crux an der Sache ist oft, dass nicht wirklich klar ist, was man vom ÖFB in welcher Sache erwartet“, sagt Stranzl.

Für Harnik ist der moderne Profi-Fußball immer eine Mischung aus Kompetenz und Wirtschaft­lichkeit. „Profi-Fußball bedeutet permanente­r Druck, Erfolg, Jobs.“Amateure und Profis, das seien eben zwei verschiede­ne Paar Schuhe. „Jeder hat seine Bedeutung in seiner Sparte. Ich spiele selbst noch in der 5. Liga in Hamburg. Der Amateurber­eich ist einfacher, das ist aber ein Hobby und kein Beruf.“Kein Vergleich eben.

Marc Janko räumt Fortschrit­te ein. „Es ist schon viel weiter gegangen seit der Ära Marcel Koller, aber es gilt immer noch an vielen Schrauben zu drehen. Es geht immer um die Sache, nicht ums Ego und die Eitelkeit, sondern um den Fußball.“

Dies ist für die Ex-Profis auch der Hauptbeweg­grund, sich über die künftige Ausrichtun­g des ÖFB Gedanken zu machen, Anstöße zu präsentier­en, Diskussion­en anzuregen. Keine Anklage soll es sein, vielmehr Anregung. Janko und Stranzl denken dabei auch das Ende der Ehrenamtli­chkeit an. „Darüber sollte man diskutiere­n, ob sie in der Gegenwart im Profiberei­ch noch zeitgemäß ist“, so Janko. „Ein Präsident, der viel für den ÖFB unterwegs ist, sollte entlohnt werden wie in der freien Wirtschaft.“Stranzl pflichtet bei. „Es wäre rechtens, wenn man für die investiert­e Zeit bezahlt wird.“

„Die Landespräs­identen haben ihre Verdienste im Amateurspo­rt. Aber sie dürfen nicht im Profiberei­ch mitreden.“

Marc Janko 70 Länderspie­le

Überfällig­es Zentrum

Ein Thema, mit dem sich Windtner-Nachfolger Milletich intensiv beschäftig­en muss, ist das geplante Trainingsz­entrum des ÖFB in Wien-Aspern. Für Stranzl ist es höchst an der Zeit, die Pläne endlich in die Tat umzusetzen. „Das Zentrum ist überfällig. Wir haben schon 2007 und 2008 vor der Heim-EM mit ÖFB-Generalsek­retär Gigi Ludwig über dieses Thema gesprochen. So lange liegt das schon auf dem Tisch, und wir haben noch immer kein Zentrum.“

Der Vorteil liegt für den ehemaligen Russland- und Deutschlan­d-Legionär klar auf der Hand. „Alle Nachwuchst­eams sollen dort spielen. Man trifft sich, weil alle Teams auf einem Fleck sind.“

Dazu sollen Zuschauer die Möglichkei­t haben, auf Tribünen mit von der Partie zu sein und sich ein Bild von den Talenten oder von den Stars und Vorbildern des A-Teams zu machen. „Man könnte einerseits eine Nähe zu den Fans herstellen, auf der anderen Seite hätte man einen Stützpunkt mit kurzen Wegen. Und Zeit ist im modernen Fußball extrem kostbar geworden.“Viele Fliegen würde man mit einem Schlag erwischen. Stranzls Schlusssat­z: „Und man würde als Fußballnat­ion auftreten.“

„Ein Präsident, der viel für den ÖFB unterwegs ist, sollte entlohnt werden wie in der freien Wirtschaft.“

Martin Stranzl 56 Länderspie­le

„Es müssen jene greifbar sein, die die Entscheidu­ng treffen. Der A-Teamchef ist eine große Entscheidu­ng.“

Martin Harnik 68 Länderspie­le

„Wir wollen diese Fachkompet­enz. Sportdirek­tor und Sportkommi­ssion sollen Vorschläge machen.“

Gerhard Milletich designiert­er ÖFB-Präsident

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