Kurier

Finde die Fehler

Es gibt Menschen, die ständig an anderen Menschen herumzupfe­n. Einerlei, ob die das wollen. Auch das kann zu ehelichen Disputen führen.

- VON GABRIELE KUHN & MICHAEL HUFNAGL

Sie

Irgendwas ist immer – und wenn es nur ein Loch im Socken des Mannes nebenan ist. Sie sind schockiert? Ein Herr von Welt – und dann das? Nun, das kommt relativ oft vor. Weil wir keine Sockenpoli­zei daheim haben, die die Fußkleidun­g kontrollie­rt und, so wie es Mutti einst getan hat, zur Stopfnadel greift oder das Zeugs in den Sockenmist kippt. So aber denkt er sich: Fühlt sich gut an! Schön luftig! Und leicht! AntiSchwei­ß-Effekt! Dabei wird er einfach nur vom sanften Sockenloch­luftstrom verwöhnt.

Herumzupfe­n

Ich finde das sehr charmant, zumal ich das Fehlerhaft­e viel mehr als das Perfekte mag. Und ja, die Kunst eines gepflegten Fehlers beherrscht der gute Mann tatsächlic­h in allen Belangen und zu allen Gelegenhei­ten. Unlängst bei einer sehr wichtigen Hochzeit etwa, als zwei Frauen gleichzeit­ig an ihm herumzupft­en – die Tochter und ich nämlich, wobei keine von uns der Pedanterie verdächtig­t werden kann. Da stand er, im aerodynami­schen Anzug (plus nigelnagel­augenfälli­ges neuen Socken) und hatte ein Haar im Gesicht, wo eigentlich keines sein sollFuzeln, te sowie, anderwerti­g, jede Menge wo sich keine Fuzeln befinden sollten. Bei näherer Betrachtun­g sah er aus wie ein in die Jahre gekommener Staubfänge­r. Also wuselten wir um ihn herum und machten ihn schöner. Er fand das gar nicht lustig, weil er nicht verstehen wollte, warum ihn jemand nicht schön findet, Loch hin, Fuzel und Härchen her. Hufnagl ist ein Naturereig­nis! Also belehrte er uns, in bewährter Oberstudie­nrat-Art: „Fehler sind das Tor zu neuen Entdeckung­en! Ruckzuck, geht mir aus dem Licht und lasst mich einfach sein.“So geschah es dann auch. Wenig später trat seine Mutter an ihn heran und sagte: „Burli, du hast da was.“Da nickte das Burli und ergab sich artig seinem Schicksal.

Neue Podcast-Folge „Schatzi, geht’s noch?“auf kurier.at und allen Podcast-Apps; Auftritte: 10. 10., 1. 11., Rabenhof ; 20. 11., Klosterneu­burg

Er

Ich habe schon als Kind eine gewisse Nervosität verspürt, wenn meine Mutter an mich herangetre­ten ist, um mir beispielsw­eise das Gesicht mit Sonnencrem­e einzuschmi­eren. Oder meine Oma den kleinen Dreckfleck auf meiner Wange mit dem Daumen weggerubbe­lt hat, nachdem sie diesen mit der Zunge angefeucht­et hatte. Daher habe ich ziemlich früh ein „Lass-mich-kann-ich-selbst“-Gefühl entwickelt. Und weil ich genau weiß, wie unangenehm es ist, wenn andere Menschen an einem herumwursc­hteln, habe ich auch als empathisch­er Beobachter eine ziemliche Gelassenhe­it entwickelt.

Bröselalar­m

Wenn also meine Frau des Morgens Milchschau­m auf der Nasenspitz­e trägt (und das tut sie beinahe täglich), dann komme ich aus Überzeugun­g niemals auf den Gedanken, als Putzmann aktiv zu werden. Stattdesse­n fasse ich mir wortlos selbst an die Nase und zwinkere kurz, dann weiß sie augenblick­lich: Oha, Nasenkorre­ktur erforderli­ch! Und so verhält es sich auch mit Mohn zwischen den Zähnen, Bröseln in den Mundwinkel­n und Reis im Dekolleté. Sogar im Fall eines unüberschw­arzen sehbaren Hundehaars auf ihrer Bluse konfrontie­re ich die Liebste erst mit der Sichtung und dann mit der Frage: „Gnä Kuhn, wären Sie mit einer beherzt durchgefüh­rten Enthaarung meinerseit­s einverstan­den, oder wollen Sie Ihre ästhetisch­e Würde mit einem eleganten Handgriff lieber selbst wieder herstellen?“Natürlich entscheide­t sie sich dann für die emanzipier­te Variante B, und schon haben wir beide unseren Frieden. Aber wehe, ich versuche, mein Prinzip der Sensibilit­ät zu ihrem Prinzip zu machen. Da doziert sie: Pass’ auf, wenn ich bei jedem verdrehten Kragen, den ich im Laufe der Jahre bei dir ratzfatz gerichtet habe, vorher ein Gesuch eingereich­t hätte, wären wir nie aus dem Haus gekommen. Dann antworte ich: „Aber vielleicht wollte ich ja oft genau das.“Darauf folgt ihr obligates Weißt was, ... ?, die Diskussion ist beendet, und alles ist gut.

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