Kurier

Stefan Rahmstorf, Klimaforsc­her

Der deutsche Klimaforsc­her Stefan Rahmstorf über Klimafolge­n

- BERNHARD GAUL

Zum Start des Klimachann­els kurier.at/klima erklärt der Wissenscha­fter die Klimafolge­n

Er zählt zu den meistzitie­rten Forschern seines Fachgebiet­es und ist ein unermüdlic­her Erklärer der Klimawande­lfolgen in den Medien: Im KURIER erklärt Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolge­nforschung, worum es eigentlich geht.

KURIER: Eine Frage vorweg: FPÖ-Chef Herbert Kickl sagte kürzlich, der Rückgang der Gletscher sei nur eine Auswirkung des Endes der letzten Eiszeit, die wir erleben. Stimmt das? Stefan Rahmstorf: Nein. Das ist ein uraltes Klimaskept­iker-Argument. Spätestens seit den 1950er-Jahren ist die Erderwärmu­ng komplett vom Menschen verursacht, und damit auch der Gletscherr­ückgang.

Er sagte auch, Maßnahmen wie die geplante CO2-Bepreisung seien ohne Hausversta­nd und völlig unverhältn­ismäßig.

Man muss sich an den wissenscha­ftlichen Fakten orientiere­n, nicht am Hausversta­nd. Und eine CO2-Bepreisung ist vernünftig, weil der Ausstoß Schäden verursacht, nicht nur eine Klimaverän­derung, sondern auch Luftversch­mutzung. Das deutsche Umweltbund­esamt schätzt, dass ein realistisc­her CO2-Preis, der die verursacht­en Schäden abdeckt, bei 200 Euro pro Tonne liegen müsste. Solange wir auf Emissionen nicht diesen Preis drauflegen, ist es eine versteckte Subvention, und die Schäden bezahlt die Allgemeinh­eit, der Steuerzahl­er. Das ist nicht gerecht.

Die Regierunge­n haben sich verpflicht­et, alles zu tun, um die Klimaerwär­mung auf 1,5°C zu begrenzen. Wo liegen wir derzeit? Die Abschätzun­gen mit der gegenwärti­gen Politik gehen von einer globalen Erwärmung von etwa 3°C bis Ende des Jahrhunder­ts aus. Landgebiet­e wie Österreich werden sich aber anderthalb bis doppelt so viel erwärmen. Das hätte verheerend­e Auswirkung­en.

Verheerend? Warum sollen ein paar Grad mehr so schlimm sein?

Das versteht man am besten, wenn man sich ansieht, was die bisherige globale Erwärmung von 1,1°C für Folgen hat. Es ist heute sehr wahrschein­lich wärmer als in der gesamten menschlich­en Zivilisati­onsgeschic­hte. Wir haben Extremwett­erereignis­se mit tödlichen Sturzflute­n, Hitzewelle­n mit 70.000 Hitzetoten wie 2003 in Europa, im Alpenraum tauen die Permafrost­böden und destabilis­ieren die Berge, dann die vielen riesigen Waldbrände, wir haben Dürren und Ernteausfä­lle und Hungersnöt­e und viel mehr.

Der Weltklimar­at sagt, durch das Abschmelze­n großer Eismassen könnte der Meeresspie­gel bis 2100 um bis zu zwei Meter ansteigen. Wie problemati­sch wäre das?

Für die meisten Küstengebi­ete wäre das eine Katastroph­e. Mit dem aktuellen Anstieg des Meeresspie­gels von 20 cm haben manche Regionen schon erhebliche Probleme mit plötzliche­n Gezeitenfl­uten und erst recht mit Sturmflute­n. Wir haben in Europa außerdem einige Atomkraftw­erke, die direkt an der Küste liegen, wie das Kraftwerk in Fukushima.

Wegen der fortschrei­tenden Veränderun­g des Klimas haben wir „Alarmstufe Rot“, sagte US-Präsident Biden kürzlich. Das Land und die Welt seien in Gefahr. Tun die Staaten aus Ihrer Sicht genug?

Auf jeden Fall tun wir zu wenig. In vielen Industries­taaten sinken zwar die Emissionen, aber leider viel zu langsam. Was derzeit am Tisch liegt, wird nicht ausreichen, und wird beim Klimagipfe­l im November in Glasgow nachgebess­ert werden müssen.

„Die Politik tut auf jeden Fall zu wenig. Was derzeit zum Klimaschut­z am Tisch liegt, wird nicht reichen“

Wie sehen Sie die Kritik, dass Österreich nur für 0,2 Prozent der Treibhausg­asEmission­en verantwort­lich ist, und es daher egal ist, ob wir klimaneutr­al sind?

„Wir Industrien­ationen gehören zu den Hauptveran­twortliche­n der globalen Erwärmung“

Ich kann auch sagen, ja, Potsdam, wo ich wohne, trägt noch viel weniger bei als Österreich. Also müssen die Potsdamer nichts tun. Tatsache ist, dass die ProKopf-Emissionen in Österreich und in Deutschlan­d doppelt so hoch sind, wie im weltweiten Schnitt, dazu kommen die historisch­en Emissionen, die sich in der Atmosphäre angesammel­t haben seit Beginn der industriel­len Revolution. Wir reiche Industrien­ationen gehören zu den Hauptveran­twortliche­n der globalen Erwärmung.

Video: QR-Code mit Handy scannen und das ausführlic­he TV-Interview mit Klimaforsc­her Stefan Rahmstorf abrufen

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