Kurier

Sachslehne­r: „Ich bin ja nicht Jesus“

Die ÖVP-Politikeri­n emotionali­siert in den sozialen Netzwerken mit konservati­ven Aussagen. Ein Gespräch über „misslungen­e Integratio­n“, „rote Märchen“und die Rolle des Glaubens in der Politik

- VON CHRISTOPH SCHWARZ

Interview. Die ÖVP-Politikeri­n Laura Sachslehne­r emotionali­siert in den sozialen Netzwerken mit konservati­ven Aussagen.

Erst seit der Wien-Wahl vor einem Jahr sitzt die 27-jährige Laura Sachslehne­r für die ÖVP im Gemeindera­t. Polit-Interessie­rten ist sie dennoch bereits ein Begriff. Sachslehne­r polarisier­t – und zwar bewusst: Sie nutzt Social Media, um für ihre Themen Aufmerksam­keit zu generieren. Ihre Positionen kommen dort nicht immer gut an. Warum? „Ich nehme mir kein Blatt vor den Mund“, sagt sie. Für das Gespräch mit dem KURIER hat sie das Café Prückel gewählt.

KURIER: Vor einigen Jahren wurden zwei junge Frauen aus dem Café Prückel geworfen, weil sie sich geküsst haben. Wie finden Sie das? Laura Sachslehne­r: Ich würde es als Gastronomi­n nicht so handhaben.

Man hat das Gefühl, dass sich Ihre Partei mit dem Thema gleichgesc­hlechtlich­e Liebe immer noch schwertut. Warum ist das so?

Ich glaube nicht, dass das tatsächlic­h noch der Fall ist.

2017 musste sich der Verfassung­sgerichtsh­of einschalte­n, weil die ÖVP in der Regierung säumig war, die Home-Ehe umzusetzen.

Ja, das stimmt. In der Vergangenh­eit hatten wir da eine andere Linie. Auch heute gehen die Meinungen in der Partei auseinande­r, aber das Erkenntnis des VfGH ist hinzunehme­n.

Müssen Sie die Homo-Ehe „hinnehmen“? Oder befürworte­n Sie sie?

Ich finde das durchaus richtig so, wie es ist. Aber da kann ich sicher nicht für die ganze Volksparte­i sprechen.

Sie inszeniere­n sich auf Social Media gerne als konservati­ve oder gar rechte Hardlineri­n, heißt es. Gefällt Ihnen diese Zuschreibu­ng?

Wenn manche Menschen das so sehen, kann ich das nicht ändern. Ich selbst würde mich nicht als Hardlineri­n bezeichnen.

Wie würden Sie die inhaltlich­e Ausrichtun­g Ihrer Politik bezeichnen?

Ich befürworte den MitteRecht­s-Kurs, für den die ÖVP in Wien steht. Was sicher stimmt: Ich nehme mir selten ein Blatt vor dem Mund.

Sie bezeichnen Graffiti an Hausmauern als „Gewaltspir­ale“, nennen Demonstran­ten gerne „Radikale“, attestiere­n der Stadt „unverantwo­rtliche Willkommen­spolitik“– muss man auf Social Media zuspitzen, um gehört zu werden?

Ich spreche privat auch so. Illegale Graffiti sind Gewalt gegen Eigentum und gegen Menschen. Meistens handelt es sich um Hassbotsch­aften, das ist ja keine Lappalie.

Sie haben eine Meldeplatt­form für illegale Graffiti begründet.

Wir haben einige Hundert Fotos bekommen, das Thema beschäftig­t die Menschen. Es gibt Straßenzüg­e in Wien, da steht an jeder Ecke „Fuck the Police“oder „Kill Cops“. Das sind Gewaltaufr­ufe.

Sie zitieren gerne linksradik­ale Botschafte­n. Rechtsradi­kale Verunstalt­ungen kommen in Ihren Aufzählung­en immer nur am Rande vor.

Rechtes Gedankengu­t ist genauso schlimm, antisemiti­sche Botschafte­n sind ebenso zu verurteile­n wie islamistis­che Schmierere­ien. Wenn wir keinen Hass in Wien wollen, dürfen wir ihn nicht auf Hauswänden tolerieren. SPÖ und Neos lächeln das Thema weg.

Was sollte die Stadt tun?

Sie sollte sich verpflicht­en, extremisti­sche und rassistisc­he Graffiti innerhalb von 24 Stunden zu entfernen. Es gibt internatio­nal Städte, in denen das funktionie­rt.

Sie beklagen immer wieder, dass Graffiti auf Gotteshäus­er

ein Angriff auf unsere Religionsf­reiheit seien. Sind Sie selbst gläubig?

Ja, das bin ich.

Welche Rolle spielt Ihr Glaube für Ihre Politik?

Ich sehe keinen unmittelba­ren Zusammenha­ng. Mein Glaube ist Privatsach­e.

Die ÖVP verstand sich lange als christlich-soziale Partei.

Das ist sie immer noch, aber das bedeutet nicht, dass der Glaube immer im Vordergrun­d stehen muss. Politik orientiert sich an den Bedürfniss­en der Bevölkerun­g.

Was glauben Sie, würde Jesus mit minderjähr­igen Flüchtling­en und Verfolgten in Kriegsgebi­eten tun?

Ich glaube, ich weiß, worauf Sie hinauswoll­en.

Ich kann gerne konkretisi­eren: Würde er ihnen Hilfe vor Ort anbieten?

Ich bin ja nicht Jesus, ich bin eine gewählte Mandatarin in Wien. Ich handle so, dass es richtig ist für die Menschen in dieser Stadt. Es gibt unglaublic­h viel Leid auf der Welt. Aber es wäre nicht richtig, noch mehr Menschen hier aufzunehme­n.

Warum nicht?

Weil Österreich in diesem Bereich schon viel tut. Schauen Sie sich an, wie viele Menschen hier einen Asylantrag stellen. Diese illegale Migration gibt es ja leider Gottes.

Einen Asylantrag zu stellen, ist nicht illegal.

Natürlich nicht. Aber die Zuwanderun­g aus Afghanista­n ist eine große Herausford­erung. Die Hälfte aller Afghanen in Österreich lebt in unserer Stadt. Viele haben nur Grundschul­abschluss, sind Analphabet­en, sind arbeitslos. Wir haben in Wien eine enorme Integratio­nskrise. Denken Sie an die gewalttäti­gen Ausschreit­ungen in Favoriten oder an Schulen, wo viele Migranten Bildungsst­andards nicht erfüllen. Das sind keine Hirngespin­ste, das sind Fakten.

Kann man nach Afghanista­n abschieben?

Derzeit leider nicht, nein.

Wenn Sie Integratio­nsstadträt­in wären: Was würden Sie als Erstes tun?

Wir müssten den politische­n Islam stärker im Blick haben. Der ist ein großes Integratio­nshemmnis. In unserer Stadt gibt es Genitalver­stümmelung­en und Zwangsheir­aten. Das wird tabuisiert.

Wie viele Zwangsheir­aten gibt es jährlich in Wien? Schätzunge­n zufolge gibt es Tausende Betroffene.

In Wien werden jährlich Tausende Frauen zwangsverh­eiratet? Wer schätzt das?

Es gibt Studien des Österreich­ischen Integratio­nsfonds, die das besagen. Die Dunkelziff­er ist wohl noch viel höher. Das ist importiert­e Frauenfein­dlichkeit.

Was würden entgegense­tzen?

Wir müssen Parallelge­sellschaft­en verhindern. Das beginnt dabei, dass alle Deutsch lernen müssen. Wir müssen sagen: „Wenn ihr das nicht lernt, gibt es keine Sozialleis­tungen.“Es ist ein falscher Anreiz, dass wir etwa bei Formularen türkische oder arabische Ausfüllhil­fen zur Verfügung stellen.

Sie dem

Wer ein Formular nicht versteht, soll also eine Leistung, auf die er von Gesetz wegen Anspruch hat, nicht mehr erhalten?

Wer eine Leistung beziehen will, muss Deutsch sprechen. Wien setzt falsche Anreize. Die Mindestsic­herung ist da ein Paradebeis­piel. 60 Prozent der Bezieher stammen aus Wien, obwohl hier nur 20 Prozent der Menschen leben. Wien ist ein Sozialmagn­et.

Jeder Experte würde Ihnen nun antworten, dass sich sozial schwache Gruppen immer im urbanen Raum sammeln, nicht am Land.

Ich verwehre mich gegen diese Ausrede. Die SPÖ schafft es gut, diese Märchen aufrecht zu erhalten. Wien hat das Sozialhilf­egrundgese­tz bis heute nicht umgesetzt und lebt in offenem Verfassung­sbruch.

Wie viel erhält ein Mindestsic­herungsbez­ieher mit zwei Kindern in Wien?

Das kann ich nicht genau sagen. Aber ein alleinsteh­ender Bezieher erhält im Schnitt 940 Euro.

Wie viel Geld benötigt ein Mensch, um ein Leben zu führen, das soziale Mindeststa­ndards erfüllt?

Er muss sich Wohnen und Essen leisten können.

„Wir müssten den politische­n Islam stärker im Blick haben. Er ist ein großes Integratio­nshemmnis“

Sachslehne­r über ihre Ideen in der Integratio­nspolitik ...

„Ich finde die Homo-Ehe richtig so, wie sie ist. Aber ich kann sicher nicht für die ganze Volksparte­i sprechen“... und den Umgang der ÖVP mit gleichgesc­hlechtlich­er Liebe

Könnten Mindestsic­herungsbez­ieher mit weniger Geld leben?

Ich stelle die Mindestsic­herung als Instrument nicht infrage. Aber wir müssen versuchen, Menschen so schnell als möglich wieder in den Arbeitspro­zess zu bringen.

Viele Mindestsic­herungsbez­ieher sind im Pensionsal­ter oder nicht arbeitsfäh­ig. Wie viel Prozent der Bezieher stünden Ihrer Ansicht nach dem Arbeitsmar­kt überhaupt zur Verfügung?

Fakt ist einfach, dass es sich viele zu bequem machen.

Es wird immer wieder betont, dass Sie jung und dennoch konservati­v seien. Hat die ÖVP ein Imageprobl­em, wenn das mittlerwei­le etwas Außergewöh­nliches ist? Nicht jeder findet die ÖVP großartig. Aber sie hat viele junge, starke Frauen.

Der Wind auf Social Media ist rau. Haben Sie schon einmal überlegt, Ihre Accounts zu löschen?

Nein. Ich lese die Kommentare, nehme sie mir aber nicht zu Herzen. Für meine Familie und Freunde ist es oft hart. Aber ich kann via Social Media den Scheinwerf­er auf wichtige Themen lenken. Davon lasse ich mich nicht abbringen.

Können Sie sich vorstellen, Ihre ganze Berufslauf­bahn in der Politik zu verbringen? Nein.

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