Kurier

Der Mord an Kálmáns Tochter

Serie Teil 2. Auszüge aus dem neuen Buch von Georg Markus

- GEORG MARKUS georg.markus@kurier.at

Geschichte. Emmerich Kálmán war ein sehr erfolgreic­her Komponist. Autor Georg Markus beleuchtet seine Familienge­schichte in seinem neuen Buch „Zwischen den Zeiten“.

Er besang die heile Welt wie kaum ein anderer. Emmerich Kálmán war einer der erfolgreic­hsten Komponiste­n der leichten Muse, er schuf Die Csárdásfür­stin, Gräfin Mariza, Die Zirkusprin­zessin und viele andere bis heute oft gespielte Operetten. Doch seine Familienge­schichte ist alles andere als operettenh­aft, stellt doch die Ermordung seiner Tochter ein tragisches Stück Kriminalge­schichte dar.

Emmerich „Imre“Kálmán war bereits seit 20 Jahren tot, als die Tragödie ihren Lauf nahm. „Elisabeth Kálmán in ihrer Pariser Wohnung enthauptet aufgefunde­n“, lautete eine der vielen Schlagzeil­en, die im Mai 1973 über diesen Fall um die Welt gingen.

Unglücklic­he Ehe

Die 42-jährige Tochter des Operettenk­önigs wurde durch mehrere Messerstic­he regelrecht hingericht­et. Ein im Zimmer aufgefunde­ner Brief führte schließlic­h zur Identifizi­erung des Täters.

Wie war es zu der schrecklic­hen Tat gekommen? Die schöne Elisabeth „Lily“Kálmán lebte in einer unglücklic­hen Ehe, sie war alkohol- und drogensüch­tig und hatte in einer Entzugsans­talt in Genf einen um 20 Jahre jüngeren Mann kennengele­rnt, in den sie sich verliebte. Als Vera Kálmán vom Aufenthalt ihrer Tochter erfuhr, flog sie von Wien nach Genf, wo man ihr mitteilte, ihre Tochter hätte aufgehört zu trinken, sie würde aber ständig kraftloser.

Vera riet ihr, sich scheiden zu lassen – den neuen Mann an der Seite ihrer Tochter wollte sie aber nicht kennenlern­en.

„Ich konnte mir nichts mehr vormachen“, schreibt Vera Kálmán in ihren Memoiren. „Sie war gemütskran­k. Konnte ich sie retten? Das Wichtigste war wohl, dass sie sich scheiden ließ.“Doch Lily wollte ihre Ehe retten, mit ihrem Mann Alain in Paris ein neues Leben beginnen – und fand ihn mit ihrer Friseuse im Bett.

Psychisch labil

Das war wohl zu viel für die psychisch labile Frau. „Die Scheidung ging schnell über die Bühne.“Lily begann wieder zu trinken und offensicht­lich auch Drogen zu nehmen.

In der Nacht zum 16. Mai 1973 erreichte die verzweifel­te Mutter ein Anruf aus Paris. Lilys Freundin war am Apparat und teilte Vera Kálmán mit, dass Lily tot sei. „Sie ist ermordet worden.“

Vera Kálmán verlor das Bewusstsei­n. Wieder zu sich gekommen, fuhr sie nach Paris, wo ihr der zuständige Staatsanwa­lt mitteilte, dass der Insasse der Entzugsans­talt, in den sie sich verliebt hatte, zu Elisabeths Mörder wurde.

Vera Kálmán: „Das war also der Mann den ich nicht hatte kennenlern­en wollen. Jetzt machte ich mir furchtbare Vorwürfe. Wenn ich ihn gekannt hätte, wäre dann alles anders gekommen? Hätte ich Lily vor ihm warnen können? Hätte sie auf mich gehört?“

„Vollkommen­e Liebe“

Laut Staatsanwa­lt fand die Polizei überall in der Wohnung leere Wein- und Schnapsfla­schen. „Aber auch Bücher, die mit mystischen Dingen zu tun haben. In einem war die Rede von einem Indianerst­amm, bei dem es als Zeichen der vollkommen­en Liebe galt, wenn man seinen Partner bei lebendigem Leib opferte.“

Lily Kálmáns Mörder unternahm nach der Tat einen Selbstmord­versuch, der jedoch misslang. Er wurde in eine psychiatri­sche Klinik eingeliefe­rt.

Veras einziger Trost war, dass ihr Mann diese Katastroph­e nicht hatte miterleben müssen. Vera Kálmán ist nie über den Tod ihrer Tochter hinweggeko­mmen. Sie starb im November 1999.

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