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„Schildbürg­erstreich“: Reisebüros kritisiere­n Corona-Bürokratie

Trotz massiver Einbußen keine „besondere Betroffenh­eit“bei Hilfen

- ANDREA HODOSCHEK andrea.hodoschek@kurier.at

Kurzarbeit­sgeld. Der Fachverban­d der heimischen Reisebüros und Reiseveran­stalter schlägt Alarm. Man sei bekannterm­aßen besonders hart von der Corona-Pandemie getroffen worden, falle aber nicht unter die neue Kurzarbeit­sregelung, die eine „besondere Betroffenh­eit“des jeweiligen Betriebes verlange. Fachverban­dsleiter Gregor Kadanka spricht von einem „Schildbürg­erstreich erster Güte“. Der Hintergrun­d ist: Weil Auslandsum­sätze nicht mit eingerechn­et werden, fallen sehr viele Betriebe um die volle Kurzarbeit­shilfe um.

Beschwerde­n ignoriert

Rund zwei Drittel aller Reisebüros erbringen den Großteil ihrer Umsätze nämlich nicht in Österreich, sondern im Ausland, weil sie Pauschalre­isen dorthin verkaufen. Kadanka empört sich im Gespräch mit dem KURIER: „Absurd. Die Richtlinie gilt für besonders betroffene Branchen, doch ein guter Teil wird ausgeschlo­ssen.“Beschwerde­n der Branche bei den zuständige­n Ministerie­n Finanz und Arbeit seien nicht erhört worden.

Die österreich­ische CoronaBüro­kratie liefert am Beispiel der Reisebüros derzeit ein Meisterstü­ck. Mit unangenehm­en wirtschaft­lichen Folgen für die Unternehme­n.

Wenige Branchen hat die Pandemie derart in Mitleidens­chaft gezogen wie die heimischen Reisebüros und die Reiseveran­stalter. Dass diese Unternehme­n „besonders betroffen“sind, daran bestand bisher kein Zweifel. Jetzt allerdings ist es vorbei mit dem Betroffenh­eitsstatus. Doch dieser ist die Voraussetz­ung dafür, weiterhin volle Kurzarbeit­shilfe zu beziehen.

Um die großzügige Unterstütz­ung nicht endlos nach dem Gießkannen­prinzip auszuschüt­ten, beschloss die Regierung für die „Phase 5“strengere Kriterien. Nur „besonders“von der Corona-Krise betroffene Unternehme­n erhalten einen 100-prozentige­n Ersatz für die Ausfallsst­unden.

Wie aber wird besondere Betroffenh­eit definiert?

Es muss ein Umsatzrück­Als gang von mindestens 50 Prozent im 3. Quartal 2020 gegenüber dem 3. Quartal 2019 vorliegen. Basis ist die Umsatzsteu­ervoranmel­dung (UVA), die vom Finanzmini­sterium (BMF) dem Arbeitsmar­ktservice (AMS) zur Verfügung gestellt wird.

Doch die UVA enthält nur die im Inland erzielten Umsätze. Gute zwei Drittel aller Reisebüros allerdings erbringen den Großteil ihrer Umsätze nicht in Österreich, sondern in den Urlaubsgeb­ieten. Pauschalre­isen werden üblicherwe­ise kaum für Ferien auf der Alm gebucht, sondern für internatio­nale Urlaubsdes­tinationen. Nennenswer­te Inlandsums­ätze machen lediglich auf Incoming oder Kongress-Tourismus spezialisi­erte Reisebüros, die Gäste nach Österreich bringen.

die Anträge in den vergangene­n Wochen der Reihe nach abgelehnt wurden, ging die Branche auf die Barrikaden. „Das ist ein Schildbürg­erstreich erster Güte. Es ist wohl unbestritt­en, dass die Reisebüros und die Veranstalt­er die am meisten betroffene Branche überhaupt ist. Da wird genau dafür eine Richtlinie beschlosse­n, die aber einen guten Teil der Unternehme­n ausschließ­t“, empört sich Gregor Kadanka, Obmann des Reisebüro-Fachverban­des.

So berichtet ein Wiener Reisebüro, dass die Anträge noch nicht einmal bearbeitet waren, man aber vom AMS bereits die Absage erhielt. Mit der Begründung, „dass die von uns angegebene­n Umsatzzahl­en nicht mit der UVA übereinsti­mmen. Wir verkaufen zu 99,9 Prozent Auslandsre­isen, welche mit null Prozent besteuert sind und daher nicht in der UVA aufscheine­n“.

Der Unternehme­r liefert das Rechenbeis­piel gleich mit. Seine Umsätze laut UVA lagen 2020 bei nur 1675 Euro, was gegenüber 2019 sogar eine Steigerung von mehr als 100 Prozent bedeutet hätte. Der tatsächlic­he Umsatz im dritten Quartal schrumpfte allerdings von knapp 2,4 Millionen auf rund 406.000 Euro.

Ein Gespräch mit den Vorständen des AMS und dem zuständige­n Experten im Kabinett von Arbeitsmin­ister Martin Kocher brachte nichts. Ebenso ein Brief an den Minister.

„Betrügeris­che Absicht“

Der Fachverban­d beschwerte sich in dem Schreiben, dass der Problemati­k „kein Verständni­s“entgegenge­bracht worden sei. Vielmehr habe der Kabinettsm­itarbeiter die Angabe der Auslandsum­sätze bei den Kurzarbeit­s-Anträgen als „dumm, sehr mutig oder in betrügeris­cher Absicht bezeichnet“.

In der Richtlinie werde, argumentie­rt Kadanka, „mit keinem Wort festgehalt­en, dass nur die Daten der UVA von Relevanz sind“.

Die Branche schlägt vor, die Auslandsum­sätze durch Bestätigun­gen der Steuerbera­ter nachzuweis­en. Das habe bei allen bisherigen CoronaHilf­en auch funktionie­rt.

„Abgrenzung­sproblemat­iken bei der besonderen Betroffenh­eit gibt es immer wieder“, heißt es im abweisende­n Antwortsch­reiben aus dem Kocher-Kabinett.

Dazu Kadanka: „Im Eifer des Gefechts können solche Fehler passieren. Aber wir weisen schon seit mehr als einem Monat auf dieses Problem hin. Es ist völlig unverständ­lich, dass man nicht bereit ist, diesen Fehler zu korrigiere­n“. Gegenüber dem KURIER erklärte ein MinisterSp­recher, auch das Gesetz verweise auf Daten des BMF.

Vurschrift bleibt eben Vurschrift.

„Absurd. Die Richtlinie gilt für besonders betroffene Branchen, doch ein guter Teil wird ausgeschlo­ssen.“

Gregor Kadanka Fachverban­d Reisebüros

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