Kurier

Calle Fuhrs „Heldenplät­ze“mit Gerti Drassl: Seelenstri­ptease im Haus der Begegnung

Berührende Uraufführu­ng des Volkstheat­ers in den Bezirken

- THOMAS TRENKLER

Kritik. Calle Fuhr ist – im besten Sinn – ein Geschichte­nerzähler und Menschenpo­rträtist. Einer, der ganz genau weiß, wie er seine Zuhörersch­aft packt, mag die Ausgangsla­ge auch noch so unglaubwür­dig sein. In „All das Ungesagte“etwa besucht ein junger Mann seinen Vater, den er nie kennenlern­en durfte, an dessen Grab – mit zwei Bierdosen in Händen.

Eine schonungsl­ose Lebensbeic­hte legt auch Theresa im Monolog „Heldenplät­ze“ab, der am Freitag als Produktion des Volkstheat­ers in den Bezirken seine Uraufführu­ng erlebte. Eine passendere Spielstätt­e als das Brigittena­uer Haus der Begegnung hätte Calle Fuhr – künstleris­cher Leiter, Regisseur und Bühnenbild­ner in Personalun­ion – für sein 80minütige­s Stück kaum finden können. Denn seine Heldin darf, im Rahmen einer Therapie oder Selbsthilf­egruppe, ihre vertrackte Geschichte erzählen: Warum sie es nicht schaffte, mit dem Tod ihres Bruders, der als 17-Jähriger bei einem Autounfall ums Leben kam, fertig zu werden.

Calle Fuhr verwebt geschickt mehrere Stränge. Man merkt zwar in der Sekunde, dass es eine Bewandtnis haben muss, warum der Held dieser Resi der Odysseus ist. Es ist auch kein Zufall, dass deren Mutter an

Alzheimer erkranken wird. Und ganz besonders konstruier­t ist das Anhimmeln von Toni Sailer, der nur in den 50er- und 60er-Jahren eine heile Welt versprach.

Aber man lässt sich gerne auf den Seelenstri­ptease ein. Auch deshalb, weil Gerti Drassl ihn hinlegt. Sie ist, entspreche­nd ihrem Naturell, von Beginn an authentisc­h. Sie zeigt mit Overheadpr­ojektoren Fotos und Dokumente aus der Vergangenh­eit, mitunter gleitet sie in Spielszene­n ab; und mucksmäusc­henstill wird es, wenn sie mit Tränen in den Augen zur Selbsterke­nntnis gelangt. Berührend.

KURIER-Wertung: āāāāā

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