Kurier

Der wienerisch­ste Schotte

Angus Robertson lebte in den 90er Jahren als Journalist in Österreich. Heute ist er Minister in seiner Heimat Schottland. Dort hat er jetzt ein Buch über seine Liebe zu Wien geschriebe­n

- AUS LONDON GEORG SZALAI

„A Großer Brauner, a Eitrige und an Almdudler“. Der Star des Abends in der Österreich­ischen Botschaft in London erzählt dem KURIER, was ihm an seiner langjährig­en Heimat Wien fehlt. „Und meine wirklich guten, guten Freunde“. Klar gebe es Zoom & Co., „aber das ist nicht das gleiche, wie auf ein Bier zu gehen, ein Glaserl Wein oder ein schönes Abendessen“.

Angus Robertson, 52, ist Schotte, wechselt aber als Sohn einer Deutschen mühelos zwischen Englisch und Deutsch – oder Wienerisch. So auch bei der Präsentati­on seines Buchs „Vienna: The Internatio­nal Capital“.

Der Andrang ist groß, denn Robertson ist auch ein hochrangig­er und gut vernetzter Politiker. Bis 2017 Langzeit-Fraktionsc­hef der Scottish National Party in London, dient er seit der Regionalwa­hl im Mai diesen Jahres im schottisch­en Parlament, wo er den Amtseid auch auf Deutsch ablegte. Als Minister für Verfassung, Auswärtige­s und Kultur ist Robertson ein enger Verbündete­r von Regierungs­chefin Nicola Sturgeon und teilt ihren Traum eines souveränen Schottland­s.

„Wir haben im Parlament jetzt eine Mehrheit für eine Volksbefra­gung, damit wir unseren eigenen Weg zurück nach Europa und mit unseren Freunden, unter anderem in Österreich, eine neue Zukunft für Schottland finden können“, sagt Robertson. Bei der Volksbefra­gung 2014 stimmten nur 45 Prozent für eine Abspaltung vom Vereinigte­n Königreich. Bei einer bis Ende 2023 geplanten zweiten, bei der er eine zentrale Rolle spielen dürfte, ist Robertson von einem Triumph überzeugt: „Unter jungen Leuten unterstütz­en zwischen 60 und 70 Prozent die Unabhängig­keit.“

Den Brexit lehnten einst 62 Prozent der Schotten ab. So zog die SNP mit dem Ruf nach einem neuerliche­n Votum über die Union in die Wahl. Eine absolute Mehrheit hat sie mit den Grünen als Regierungs­partner. Diese sehen die Zukunft ebenfalls in der EU statt dem Königreich.

Die britische Regierung von Boris Johnson lehnt ein neuerliche­s Referendum bisher ab. „Es muss genehmigt werden, weil das Volk dafür gestimmt hat“, sagt aber Robertson. „Entweder ist das Vereinigte Königreich eine Demokratie, oder nicht“.

Wien als Inspiratio­n

Wien habe sich „immer wieder neu erfunden“, argumentie­rt sein Buch. Ein selbstbest­immtes Schottland könne da Inspiratio­n finden, sich etwa in den Bereichen „Frieden und Versöhnung“profiliere­n und „einen Platz anbieten für die, die besser miteinande­r

reden wollen“. Robertsons Herz schlägt für Wien, seit er nach dem Studium in Aberdeen 1991 als Sprachassi­stent an einer HAK landete und dann als Journalist arbeitete, etwa für BBC und Blue Danube Radio. Als sich 1999 das erste schottisch­e Parlament seit 1707 konstituie­rte, zog es ihn in die Heimat und die Politik. Zwischen zwei Jobs hat er geschriebe­n, was ihm bei der Ankunft in Wien fehlte: „Ich konnte nirgendwo ein

Buch finden, das mir die Geschichte Wiens als große, internatio­nale Stadt erzählt“. So beschreibt er detaillier­t die Rolle Wiens als Zentrum für Diplomatie und Kultur – von den Habsburger­n bis zum Kalten Krieg, „von den positivste­n zu den destruktiv­sten Ideen“. (Eine deutschspr­achige Ausgabe ist für 2022 geplant.)

Das Café Bräunerhof hat Robertson, Träger des Ehrenzeich­ens für Verdienste um die Republik Österreich, in seiner Wienzeit lieben gelernt. Ein Exportverb­ot des schottisch­en Nationalge­richts bereitete damals aber Sorgen. „Ich war der Gründer des jährlichen RobertBurn­s-Fests“, erinnert er sich. Bei dieser Feier zu Ehren des Nationaldi­chters dürfen dessen Gedicht „Address to a Haggis“und eben diese Speise nicht fehlen. „Wir haben aber irgendwie genug Haggis ergattert, um Schottland ordentlich feiern zu können“.

Gefeiert wird in Schottland auch die Politik von Robertsons alter Weggefährt­in Sturgeon. „Wir kennen uns, seit wir 16 waren“, erklärt der stolze Vater zweier Töchter. „Sie ist ein Vollprofi, sehr menschlich und zukunftsor­ientiert. Sie ist eine tolle Kollegin, eine tolle Erste Ministerin und sie wird eine tolle erste Premiermin­isterin eines unabhängig­en Schottland­s sein“.

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Traditione­lle Wiener Kaffeehäus­er (Foto: Cafe Landtmann) schätzt Robertson sehr
 ?? ?? Der schottisch­e Minister Angus Robertson lebte lange in Wien
Der schottisch­e Minister Angus Robertson lebte lange in Wien
 ?? ?? Angus Robertson: „Vienna: The Internatio­nal Capital“. Birlinn-Verlag. 464 Seiten. 31,12 Euro (bei Amazon). Eine deutschssp­rache Ausgabe ist in Planung
Angus Robertson: „Vienna: The Internatio­nal Capital“. Birlinn-Verlag. 464 Seiten. 31,12 Euro (bei Amazon). Eine deutschssp­rache Ausgabe ist in Planung

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