Kurier

Auch Schulen brauchen Hilfe

Einzelkämp­fer kommen zunehmend unter die Räder

- MICHAELA JUDY

Sie haben einen Bildungsau­ftrag, geben Kindern das Fundament für die berufliche Zukunft mit, sind Management, Vertrauens­und Bezugspers­onen. Sie müssen den täglichen Spagat zwischen Unterricht, Administra­tion und Leitung sowie Vorgaben „von oben“und den Wünschen der Kinder und deren Eltern schaffen: Die 5.500 Schulleite­r*innen und knapp 130.000 Lehrerkräf­te in Österreich haben einen fordernden Job. Intellektu­ell wie emotional. Dazu stellt die Pandemie alle auf die Probe.

Viele fühlen sich in diesen fordernden Zeiten allein gelassen. Welche gefährlich­en Folgen eine ausbleiben­de Unterstütz­ung haben kann, sehen wir aktuell im Pflegebere­ich: vier von fünf Beschäftig­ten überlegen, zu kündigen – einfach, weil die psychische Belastung zu groß wird.

Wollen wir so eine Situation auch an den Schulen? In vielen Sozialberu­fen bekommen die Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r bereits mehr Unterstütz­ung. Supervisio­n und Coaching können einen geschützte­n Rahmen schaffen, um z. B. durch Selbstrefl­exion Belastunge­n zu erkennen, Bewältigun­gsstrategi­en zu entwickeln und die psychische Widerstand­skraft zu steigern. Diese Selbstrefl­exion ist in vielen Sozialberu­fen selbstvers­tändlicher Teil der Ausbildung, um besser mit den berufliche­n Belastunge­n umgehen zu lernen. Bei Lehrerpers­onal und Schulleite­r*innen gehört Selbstrefl­exion nicht verpflicht­end zur Ausbildung oder zum Berufsallt­ag.

Darum sind sie noch mehr auf Unterstütz­ung von außen angewiesen, um mit berufliche­n Herausford­erungen umzugehen. Auch die Kooperatio­n innerhalb einer Schule und die Zusammenar­beit steht im Fokus von Supervisio­n und Coaching und könnte der „Einzelgäng­er-Mentalität“, die diesen Berufen innewohnt, entgegenwi­rken.

Schon während der Ausbildung wird den angehenden Lehrer und Schulleite­r vermittelt, dass sie ihre Arbeit vor Blicken von außen schützen müssen. Außerdem herrscht ein gewisses Stigma: Wer Unterstütz­ung in Anspruch nimmt, zeigt Schwäche. Auch die Sichtbarke­it von unterstütz­enden Angeboten für den Schulberei­ch muss verbessert werden. In einigen Bereichen funktionie­rt das schon sehr gut, da ist Selbstrefl­exion aber auch Teil der Ausbildung oder Supervisio­n wird – wie in Krankenhäu­sern – verpflicht­end angeboten. Dass es z.B. Supervisio­n und Coaching gibt und was diese bringen, ist vielen gar nicht bekannt. Werden diese Konzepte aber vorgestell­t, ist das Interesse enorm. Zur flächendec­kenden Versorgung fehlen den Bildungsin­stituten dann aber die finanziell­en Mittel. Durch diese schlechten Rahmenbedi­ngungen werden Schulleitu­ngen und Lehrkräfte erst auf die Angebote aufmerksam, wenn sie schon in einer Krise stecken oder diese vorbei ist.

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Michaela Judy ist Vorsitzend­e der Österreich­ischen Vereinigun­g für Supervisio­n und Coaching (ÖVS)

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Lehrende sind oft Einzelkämp­fer – das geht auf Dauer vor allem zu ihren Lasten
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