Kurier

Ein Operettenh­it mit zeitlosem Sentiment, zartem Humor und sehr viel Paprika

Emmerich Kálmáns „Gräfin Mariza“überzeugt im Stadttheat­er Baden in der Regie von Leonard Prinsloo szenisch und musikalisc­h

- HELMUT CHRISTIAN MAYER

Kritik. Das Palais wirkt ziemlich herunterge­kommen und verströmt eine sentimenta­le Atmosphäre voller Erinnerung­en. Er wirkt verblasst aber hin und wieder blitzt doch eine vergangene, mondäne Zeit durch, die jedoch nie wieder zurückkehr­en wird (Bühne: Monika Biegler). Hier agiert die Titelheldi­n als älter gewordene reiche Oligarchin und Powerfrau.

So sieht Leonard Prinsloo die „Gräfin Mariza“von Emmerich Kálmán die heurige Eröffnungs­produktion am Stadttheat­er Baden. Er inszeniert den Hit aus der silbernen Wiener Operettenä­ra kitschbefr­eit, entstaubt, charmant, zeitlos und nachvollzi­ehbar. Die meist feiernde Gesellscha­ft wird mit latenter

Sehnsucht nach der „guten, alten“Zeit gezeigt.

Aufgemotzt wird das Stück durch sehr viele, vom eigenen Ballettens­emble exzellent und schmissig getanzten Einlagen, für deren Choreograf­ie auch der Regisseur – gemeinsam mit Christina Comtesse – verantwort­lich zeichnet, sowie durch einige aktualisie­rte Gags insbesonde­re aus der Politik: „Kurz eröffnet jetzt sein eigenes Meinungsfo­rschungsin­stitut“.

Insgesamt gelingt eine passende Mischung aus Sentiment und Humor. Dafür steht ihm ein sehr spielfreud­iges Ensemble mit eleganten, teils überzogene­n Kostümen (Mareile von Stritzky) zur Verfügung: Cornelia Horak ist eine teils zu wenig verständli­che, launische, ältliche Titelheldi­n mit großer Bühnenpräs­enz, klarem Sopran und müheloser Höhe. Den verarmten Grafen Tassilo gibt Reinhard Alessandri mit schönem, in der Höhe etwas eng werdenden Tenor.

Quirlig

Seine Schwester Lisa wird von der quirligen Verena Barth-Jurca mit leichtem Sopran lupenrein gesungen. Thomas Zisterer mit feinem Bariton singt und spielt einen sehr agilen, komischen Baron Koloman Zsupán, dem der Hit „Komm mit nach Varasdin“vortreffli­ch gelingt.

Uschi Plautz ist eine exaltierte aber liebenswer­te Fürstin Bozena Cuddenstei­n. Glasklar singt auch Jerica

Steklasa die Manja, eine junge Roma. Thomas Malik ist ein viriler Fürst Populescu, den man allerdings schon komischer erlebt hat. Dies gilt auch für Oliver Baier als Kammerdien­er Penizek, der auf wienerisch ständig Zitate der Klassiker völlig verdreht.

Homogen singt der kleine Chor des Hauses. Das Orchester der Bühne Baden unter Christoph Huber, der kaum bei der Koordinati­on mit der Bühne eingreifen muss, spielt die einfallsre­iche Musik mit dem ungarische­n Kolorit und den vielen, unvergängl­ichen Schlagern mit Farbenreic­htum, rhythmisch­er Verve und viel Paprika bei den Csárdásrhy­thmen. Viele Bravi!

KURIER-Wertung: ★★★★☆

 ?? ?? „Gräfin Mariza“in Baden: Jerica Steklasa, Thomas Zisterer, Cornelia Horak, Verena Barth-Jurca, Thomas Malik (v. li.)
„Gräfin Mariza“in Baden: Jerica Steklasa, Thomas Zisterer, Cornelia Horak, Verena Barth-Jurca, Thomas Malik (v. li.)

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