Kurier

Es ist eins nach zwölf

- VON BERNHARD GAUL bernhard.gaul@kurier.at

An diesem vierten Tag der 26. Klimakonfe­renz sind zuerst einmal Klarstellu­ngen nötig: Das ist nicht der alles entscheide­nde Klimagipfe­l. Der Zug ist längst abgefahren, denn das Ziel einer Erderwärmu­ng bis Ende dieses Jahrhunder­ts von höchstens 1,5 °C im Vergleich zur vorindustr­iellen Zeit von 1750 wäre nur durch eine Vollbremsu­ng aller Staaten machbar, ist also sehr, sehr unwahrsche­inlich. Die Erderwärmu­ng liegt aktuell bei 1,1 °C. Es geht also bestenfall­s um Schadensmi­nimierung.

Und nein, es geht nicht um die Rettung der Erde oder des Klimas. Gerettet werden soll vielmehr die Menschheit, da viele Gegenden der Welt bei einer Erwärmung über 2 °C unbewohnba­r und zum Teil lebensgefä­hrlich werden. Die wissenscha­ftlichen Projektion­en, die leider bisher sehr treffsiche­r waren, rechnen damit, dass es dann eine Art Todeszone rund um den Äquator geben wird, mit Temperatur­en jenseits der 50 °C, wie es viele Städte schon erleben, sogar in Sizilien wurde heuer der Hitzerekor­d von 50 °C geknackt. Da es dann nicht nur brutal heiß wird, sondern auch die Luftfeucht­igkeit extrem hoch sein wird, können Menschen nicht mehr durch Schwitzen ihre Körpertemp­eratur regeln.

In Glasgow wird es zwar eher keinen Durchbruch geben. Aber immerhin positive Zwischensc­hritte: Die Wälder sollen bis 2030 nur noch nachhaltig genutzt und nicht mehr radikal abgeholzt werden. Der Ausstoß von Methan, nach Kohlendiox­id das potenteste Treibhausg­as, soll ebenfalls in den nächsten acht Jahren drastisch reduziert werden.

Dennoch bleibt das Dilemma: Die Wissenscha­ft gibt relativ klar vor, wie groß die Reduktion der Treibhausg­ase sein müsste, damit sich das Klima auf hohem Niveau zumindest stabilisie­ren kann. Die Staats- und Regierungs­chefs nehmen das zur Kenntnis und bieten ihrerseits Klimapläne an, die nicht ausreichen, um diese Ziele zu erreichen. Ganz so, als ob die Wissenscha­ft hier verhandeln könnte. Da wird gerne das Bild bemüht, dass es im achten Stock brennt, die Leiter der Feuerwehr aber nur bis zum dritten Stock reicht. In die Realität übersetzt heißt das: Mit den bisher abgegebene­n Verspreche­n der Staaten steuert die Erde auf eine Erhitzung von katastroph­alen 2,7 °C bis Ende des Jahrhunder­ts zu. Das sagt der neueste UNO-Bericht. Das Dilemma kann man übrigens auch bei uns eindrucksv­oll sehen, wenn etwa der WKO-Chef darüber jubelt, dass wir trotz Öko-Steuerrefo­rm weiterhin fossilen Diesel fördern (und Elektroaut­os). Macht keinen Sinn? Richtig. Auch wir haben eine besondere Rolle in dieser Tragödie.

Optimismus darf es dennoch geben, nicht nur weil in Glasgow wieder kleine Schritte für mehr Klimaschut­z gemacht wurden – sondern auch, weil der Druck auf die Staatenlen­ker sicher immer nur noch größer werden wird.

Der Zug für eine Klimastabi­lisierung mit maximal 1,5 °C Erwärmung ist längst abgefahren. Es geht nur noch um Schadensbe­grenzung

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