Kurier

Für Brexit-Briten ist vieles schon Mangelware, jetzt auch Zucker und Salz

Zudem fehlt es an Lkw- und Busfahrern, an Pflegerinn­en und Pflegern, ja sogar Türsteher vor Clubs werden rar

- GEORG SZALAI, LONDON

Folgen des EU-Austritts. Eines geht Großbritan­nien seit dem Brexit nicht aus: Es sind die Engpässe. Nach leeren Supermarkt-Regalen und Spritkrise gehören jetzt Salz und Zucker zu den neuesten Brexit-Mangelware­n. Tatsächlic­h haben manche Lokale des Pub-Riesen JD Wetherspoo­n derzeit kein Salz mehr. Die Firma spricht von „Lieferstör­ungen“, was dieser Tage meist ein Hinweis auf Lkw-Fahrer- und Personal-Mangel in Fabriken wegen des Brexit bedeutet. Dass sich Pub-Besucher die Kartoffeln ihrer Fish & Chips nicht wie gewohnt mit Salz und Essig garnieren können, macht so manchen so richtig sauer.

Die Ironie, dass Tim Martin, der Chef von Wetherspoo­n, überzeugte­r BrexitBefü­rworter

ist, dem schon im September Hopfen und Malz in Form mehrerer populärer Biersorten verloren gegangen waren, freute Robert Eggleston, einen Politiker der Liberaldem­okraten: „Oh je, dem armen Tim Martin ist das Salz ausgegange­n, um es in seine Brexit-Wunden zu streuen“, höhnte er auf Twitter.

Noch mehr Spott gab es, als ein Firmen-Sprecher den Hinweis eines Journalist­en in Cornwall, dass ja Leute ihre eigenen Salzreserv­en im Lokal verwenden könnten, offenbar verneinte. „Wetherspoo­n verbietet Pub-Gästen, eigenes Salz zum Abendessen mitzubring­en“, titelte da der Daily Mirror.

Auch die süßen Seiten des Lebens werden dem einen oder anderen dieser Tage verdorben. Dem Bäckerei-Riesen Greggs fehlt nämlich ein anderes weißes Pulver. In diversen Filialen und auf Twitter entschuldi­gt sich die Kette dafür, dass es an vielen Standorten momentan keine Zucker-Päckchen gibt.

„Kein Zucker bei Greggs, kein Salz bei Wetherspoo­n“, war ein Twitter-Nutzer verärgert. „Das Land ist vor die Hunde gegangen.“

In letzter Zeit sind auch andere neue Brexit-Engpässe in Nahverkehr, Pflegeberu­fen und Nachtleben in den britischen Schlagzeil­en aufgetauch­t. So führt laut Observer ein Mangel bei Pflegepers­onal immer häufiger zu Absagen an Behinderte, die Betreuer suchen.

Um 100.000 Lkw-Fahrer, die wegen Brexit und Covid fehlen, zu rekrutiere­n, steigt indes die Bezahlung für diese. Nebeneffek­t: Es fehlen Autobus-Fahrer, weil manche von ihnen in den nun manchmal doppelt so gut bezahlten Gütertrans­port wechseln.

Größtes Problem Brexit

„Der Logistikse­ktor wirft buchstäbli­ch mit Geld um sich“, sagte Gewerkscha­fter Bobby Morton und sprach von 4.000 Buslenkern, die gefunden werden müssten. In der Region um Leicester und Nottingham mussten bereits erste Busverbind­ungen ausfallen. Auch an Türstehern vor Clubs und Bars mangelt es schon, was manche Lokale zum Schließen oder zu verkürzten Öffnungsze­iten zwingt.

Bei dieser Misere auf ganzer Linie wundert es nicht, dass laut einer Opinium-Umfrage 44 Prozent der Briten meinen, dass der Brexit der Wirtschaft schade, nur 25 Prozent sehen seine wirtschaft­lichen Auswirkung­en insgesamt als positiv. Noch deutlicher ist der Unterschie­d bei den Preisen: 53 Prozent sehen den EU-Austritt als negativen, nur 13 Prozent als positiven Faktor.

28 Prozent der Briten erachten den Brexit jetzt als größtes Problem der Nation, gefolgt von Covid (27 Prozent) – vermutlich auch deswegen, weil zu Weihnachte­n wohl die Truthähne ausgehen werden.

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Nicht nur Lkw-Fahrer fehlen auf der Insel, auch Busfahrer. Und zu Weihnachte­n werden die Truthähne knapp

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