Blaues Wunder in Zagreb
Dinamo Zagreb wird in Kroatien als Kult-Verein angefeuert wie Rapid in Wien, gleichzeitig aber auch kritisiert wie Red Bull in Salzburg
Novi Zagreb ist eine Art Transdanubien in Kroatiens Hauptstadt. Der Plattenbau aus den 1960er-Jahren sieht der Wiener Großfeldsiedlung ähnlich. Im Unterschied zu Wien liegt diese Schlafstadt aber nicht auf der anderen Seite der Donau, sondern auf der anderen Seite des Donau-Zuflusses Save.
Hier ist sie zu Hause, die eiserne Liebe zu Dinamo. Etliche Graffiti an den Wänden der Hochhaustürme bezeugen sie. Spraydosen mit viel blauer Farbe wurden für die Symbole der „Modri“(der Blauen) verwendet.
Doch auch an den Westund Ost-Rändern von Zagreb sind die Bad Blue Boys allgegenwärtig, jene Ultras, die beim 1:2 gegen Rapid mit ihren Endlos-Chorälen und ihrem nervigen Böllerschiesind. ßen aufgefallen Am Donnerstag (21 Uhr) kommt es zum Wiederseam hen.
Ein Denkmal Eingang des in seiner betonierten Hässlichkeit fast schon wieder exklusiven Maksimir-Stadions soll an den Einsatz der BBB im „Vaterländischen Krieg“erinnern. So wird auch in Schulbüchern der Krieg gegen die Serben (1991–’95) tituliert. Die „Buben“aus Zagreb werden dem nationalen Mythos entsprechend gerne als Helden hofiert. Ein offener Diskurs über Schuld und Sühne im Krieg ist weiterhin – sagen wir – schwierig. Reden wir lieber über Fußball!
Nicht aus der Dose
„Die Modri haben dazu beigetragen, dass Blau meine Lieblingsfarbe geworden ist“, erzählt Marko Iljić, der seit seinem siebenten Lebensjahr zu Dinamo hält. Der in Wien als Stadtführer tätige Mittfünfziger steht für eine weitere Fangruppe. Die wurde – wie er – oft nicht einmal in Zagreb geboren und lebt als kroatische Diaspora über die Welt verstreut. Einige von ihnen waren auch beim 1:2.
„Zagreb“, erinnert sich Iljić, „war 280 Kilometer von meinem Heimatort entfernt. Trotzdem haben alle bei uns zu Dinamo gehalten.“Der Kult-Status des Hauptstadtvereins ist mit jenem von Rapid zu vergleichen. Was die nanziellen Möglichkeiten und den Talentepool im Vergleich zu den Ligakonkurrenten anlangt, ist man eher das Red Bull Kroatiens. Das Geld kam jedoch nie aus der Dose. Außergewöhnliche Talente wie Zvonimir Boban, Davor Šuker, Luka Modrić oder Mario Mandžukić reiften in der fußballerischen Provinz zu Ausnahmekönnern. Ihre Transfers ließen die Vereinskasse klingeln, wobei kroatische Gerichte weiterhin mit der Frage beschäftigt sind, wer sich auch persönlich fibereichert hat. Ein Kapitel für sich: die Brüder Zoran und Zdravko Mamić. Sie wechselten beide von der Trainer- auf die Anklagebank, wo sie auch rechtskräftig verurteilt wurden.
Auch darüber ein Mantel des Schweigens. Die Fans in Novi Zagreb regen sich lieber über den ihrer Ansicht nach „katastrophalen Kick“ihres Teams in Wien auf. Anders als die Spieler und Trainer sagen sie ohne Diplomatie: Wien sei gewiss eine schöne Stadt, aber Rapid sollte an sich kein Problem darstellen.
Dieses Selbstbewusstsein ergibt sich aus dem Faktum, dass die meisten Spieler des Nationalteams durch die Dinamo-Akademie
gegangen sind, der Verein so wie die Bayern die Talente des Landes abwirbt (sehr zum Unmut der Fans in Split, Osijek und Rijeka) und die Meisterschaft dominiert. In Zagreb ist aber auch schon mancher Hoffnungsträger verglüht, weiß Marko Iljić. „In den Medien werden Spieler zu Jahrhunderttalenten erklärt, bis sie daran zerbrechen.“
Das veraltete Stadion neben dem Maksimir-Park bietet wenig Schutz vor Wind und Wetter. Dafür viel JugoNostalgie. Rapid-Fans dürfen die nicht genießen, weil die UEFA die Strafe bestätigt hat – und sie daher nicht zugelassen sind.