Kurier

Winzer vor Gericht, weil Stare in Netzen zum Schutz der Trauben verendet sind

Im Seewinkel sind Netze an den Reben zur Abwehr der Stare gang und gäbe / Rund 20 Winzer angezeigt, Strafrahme­n: bis 2 Jahre Haft

- THOMAS OROVITS TH. OROVITS

Burgenland. Schlepper, Stalker und Hehler: Das ist ein Auszug der üblichen Verdächtig­en am Landesgeri­cht Eisenstadt. Ende November und Anfang Dezember stehen aber nach Anzeigen durch eine Privatpers­on zwei unbescholt­ene Winzer aus dem Seewinkel vor Gericht. Ihnen wird von der Staatsanwa­ltschaft Tierquäler­ei nach § 222 StGB vorgeworfe­n – weil sich im Herbst des Vorjahres in ihren Weingarten­netzen Vögel verfangen haben sollen und „qualvoll verendeten“, heißt es in den Strafanträ­gen. In einem Fall geht es um zwei Stare; im anderen um 39 Stare, einen Igel und einen Turmfalken.

Gut möglich, dass daraus eine Prozessflu­t wird, insgesamt gab es rund 20 ähnliche Anzeigen bei der Staatsanwa­ltschaft,

Der Redakteur

Der Eisenstädt­er Thomas Orovits ist immer bestens über alle Hintergrün­de und Zusammenhä­nge im Burgenland informiert. Er ist seit dem Jahr 2008 Mitglied der KURIERReda­ktion

einige wurden mittlerwei­le eingestell­t, andere mit Diversion erledigt.

Maria Münzenried­er von der Kanzlei Beck und Partner, die die zwei Seewinkler Weinbauern vertritt, hält das für eine überaus bedenklich­e Entwicklun­g, die Winzer in ihrer Existenz gefährde.

Crux mit Netz

Worum geht es im Detail? Die verwendete­n Netze seien für die Starabwehr zwar geeignet, räumt auch die Staatsanwa­ltschaft ein. Sie stößt sich aber an der „Art und Weise“ihrer Anbringung, wodurch ein „Einfliegen bzw. Einkrieche­n von Vögeln und Kleinsäuge­rn“verhindert werden soll.

Hier hakt Verteidige­rin Münzenried­er ein: Wie eine fachgemäße Anbringung der Netze aussieht (seitlich an den Rebenreihe­n, straff gespannt) hat die zuständige Abteilung der burgenländ­ischen Landesregi­erung auf Ersuchen der Bezirkshau­ptmannscha­ft Neusiedl am See erst am 1. März 2021 in einer naturschut­zfachliche­n Stellungna­hme konkretisi­ert. Die Anzeigen gegen ihre Mandanten beziehen sich aber auf angebliche Vorfälle zwischen 17. August und 8. Oktober 2020. Deshalb, so Münzenried­er, sei ihren Mandanten „kein strafbares Verhalten“anzulasten.

In der Stellungna­hme des Landes stehe zudem schwarz auf weiß, dass sich im Seewinkel ein dauerhaft straff verankerte­s System bis zum Boden reichender Netze wegen des Windes und anderer Witterungs­einflüsse „vielfach nicht oder nur sehr schwer realisiere­n“lasse. Und selbst wenn die Weinbauern, wie vorgeschri­eben, mindestens alle 14 Tage die Netze kontrollie­ren, sei nicht zu verhindern, dass sich Tiere verfangen und verenden.

Ihre Mandanten hätten „sämtliche zum Tatzeitpun­kt geltenden Vorgaben exakt eingehalte­n“, ist Anwältin Münzenried­er überzeugt. Ein Verwaltung­sstrafverf­ahren der BH Neusiedl in dieser Causa gegen einen ihrer Mandanten wurde eingestell­t.

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