Depotpräparate
mehr als dreißig Jahren ist die Drogenersatztherapie mit oralen Opioid-Substitutionsmedikation per Erlass in Österreich geregelt. Lange Zeit galten wir damit auch als Vorreiter in Europa und sogar der Welt. Doch zuletzt stagniert die Drogenersatztherapie. Ende 2020 befanden sich laut Gesundheitsministerium 19.233 Opiatabhängige in Therapie – weniger als im Vorjahr. Eine Entwicklung,dieauchdurchdieCovidPandemie beschleunigt wurde. Probleme erkennen behandelnde Ärztinnen und Ärzte seit Langem. Welche das sind und wie man die Substitutionstherapie in Österreich für Betroffene attraktiver machen kann, wurde im Rahmen des 11. Interdisziplinären Symposiums zur Suchterkrankung am Grundlsee in der Steiermark diskutiert. Teilgenommen haben nicht nur Medizinerinnen und Mediziner, sowie Vertreter aus dem Gesundheitsministerium und der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), sondern auch ein Betroffener, der sich einer solchen Therapie unterzieht. Bei einem Round Table wurde intensiv über die Therapievielfalt in Österreich diskutiert. Aus ärztlicher Sicht und
aus jener des Patienten drängt man darauf neue Therapieformenund-Mittel,diein der EU bereits zugelassen sind und den Lebensstandard Betroffener deutlich erhöhen, auch ins allgemeine Leistungsspektrum der Gesundheitskassen aufzunehmen. „In Österreich sind wir in der glücklichen Lage vier Substanzen zur Therapie anzubieten und damit auf individuelle Bedürfnisse einzugehen. Die Entwicklung eines neuen Depotpräparates, welches einmal wöchentlich oder einmal monatlich vom Arzt injiziert wird, bedeutet aber für die Patientinnen und Patienten einen zusätzlichen Schritt in die Unabhängigkeit und Selbstbestimmtheit“, erklärt Norbert Jachimovicz, Leiter des Referats für Substitutionsangelegenheiten der Österreichischen Ärztekammer.
Im Gegensatz zum neuen Mittel müssen Betroffene derzeit ihr Substitutionsmedikation täglich einnehmen. Das heißt,fürdiemeistenauchtäglich beim Arzt oder der Apotheke erscheinen zu müssen, weil die Tagesdosis unter Aufsicht geschluckt werden muss. Wie belastend das ist, sieht auch Gabriele Fischer, Psychiaterin und Suchtspezialistin von der Medizinischen Universität Wien. Sie pocht ebenfalls auf die Kostenerstattung neuer Therapien. „Die Depotlösung stellt eine Erweiterung der therapeutischen Optionen dar, da sie seltener verabreicht werden müssen als die im Einsatz befindlichen Arzneimittel. Die Patienten müssen nicht mehr täglich den stigmatisierenden Besuch in der Apotheke machen und sich dort um ihr Substitutionsmedikation anstellen“, erklärt sie.
Gezielte Aktionen
Auch der Obmann der ÖGK erachtet die derzeitige Situation als noch nicht zufriedenstellend und erklärt, dass man sich in der Gesundheitskasse des Problems bereits angenommen habe. Es seien schon die gesetzlichen Rahmenbedingungen für neue Verabreichungsformen geschaffen worden. Nun würde man diskutieren, wie man diese in das Leistungsspektrum mit aufnehmen könne, damit Betroffene nicht selbst für die Kosten dieses Depotpräparates aufkommen müssten.
In der Diskussion sprach Huss auch die psychische Dimension bei Suchterkrankungen und die notwendige psychologische Unterstützung an. Seitens der Gesundheitskasse arbeite man an neuen Modellen, wie Betroffene schnell und direkt an Psychotherapien kommen. „Ein Weg sind die Clearing Stellen, die kostenfreie Therapieplätze vermitteln“, sagt er und betont die Wichtigkeit von multidisziplinären Behandlungen – auch in Verbindung mit Psychologie und Sozialarbeit.
Wie oft bei Suchterkrankten oder anderen psychologischen bzw. psychiatrischen Krankheitsbildern spielen auch die Gesellschaft und das Umfeld eine große Rolle. Ein Punkt, der auch in der Diskusauch sion aufgegriffen wurde. „Die Behandlung von Suchterkrankten ist in der Gesellschaft immer weniger Wert“, stellt Wolfgang Beiglböck vom Bundesverband der ÖsterreichischenPsychologinnenundPsychologen (BÖP) fest. „Die Einschränkungen überhaupt in Behandlung zu kommen, nehmen immer mehr zu“, sagt er.
Stigmatisierung
Generell ist die Stigmatisierung von Erkrankten ein Problem. David Chromy von der Dermatologie an der Medizinischen Universität Wien, hat seinen Schwerpunkt auf der Behandlung von HIV und Geschlechtskrankheiten. Gegen Stigmatisierung mussten seine Patientinnen und Patienten seit je her kämpfen. Er schlägt als Lösungsmittel die gezielte Aufklärung des unmittelbaren Umfelds der Betroffenen vor und den Einsatz von Kampagnen.„DashatbeiHIVgutdurch eine Kampagne funktioniert, die von der Community selbst losgetreten wurde. Letztlich schlug diese so hohe Wellen, dass sie es in die Medien und die breite Masse geschafft hat. Vielleicht würden solche Methoden die Aufklärung auch im Bereich der Suchttherapie weiter vorantreiben“, schlägt er vor.
Betroffene im Zentrum
Für Arkadiusz Komorowski von der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie an der Medizinischen Universität Wien, sollte man die Betroffenen und deren Bedürfnisse auch in der Forschung mehr ins Zentrum rücken. „In der Wissenschaft werden Patientinnen und Patienten immer mehr in die Forschung involviert. Es muss Projekte geben, um herauszufinden, was sich Betroffene wünschen, um zu wissen, was wir erforschen sollen. Brauchen wir Blutparameter oder eigentlich ganz andere Dinge? Patientinnen und Patienten wünschen sich beispielsweise auch mehr EHealth-Angebote“, hält Komorowski fest und pocht darauf mehr Patientenvertreter zu involvieren. Einen Fokus, den auch das Gesundheitsministerium betont, wie Andreas Weinseiss, stellvertretender Leiter der hiesigen Suchtabteilung, erklärt: „Wir erheben gerade die Auswirkungen von den kurzfristig getroffenen Maßnahmen, wie Online-Beratung und andere Therapieformen, und wollen wissen, ob diese auch fortgesetzt werden können.“Vom Finanzministerium ergänzte zudem Gustav Trefil die Diskussion um wesentliche Aspekte zur Glückspielnovelle, um auch Spielsuchterkrankte zu schützen.
Damit die erreichten Fortschritte in diesem Gebiet fortgesetzt werden können, braucht es stetige Optimierung. Der Austausch zwischen allen Stakeholdern ist dabei genau so essenziell, wie das Bewusstsein und die Akzeptanz in der Gesellschaft zu stärken. Die Bedürfnisse der Betroffenen müssen priorisiert werden, damit sie schnellstmöglich die richtige Therapie bekommen – noch bevor es zu spät ist. Überblick. Der Einsatz von neuen Depotlösungen in Suchttherapien wird aus ärztlicher Sicht stark urgiert. Das erwarten sich die Experten von der Therapie mit Depot:
kein täglicher stigmatisierender Termin für die Medikamentenausgabe
Kein Missbrauch, kein Schwarzhandel oder auch keine Medikamentenweitergabe möglich
Sicherer im Zusammenleben mit Kindern und Jugendlichen
Die Therapie ist einfacher in einen Arbeitsalltag integrierbar
Grenzüberschreitende Dienstreisen sind wieder möglich
Der Umstieg von der täglichen oralen zur wöchentlichen bzw. monatlichen Verabreichung ist aus medizinischer Sicht völlig unkompliziert und jederzeit möglich
Keine Schwankungen durch gleichbleibende Wirkspiegel
Schutz vor Überdosierung durch andere Opiate (Vollagonisten)
Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Depotapplikationen wurden bereits geschaffen
Gute Behandlungsevidenz und erfolgreich in vielen EUStaaten eingesetzt
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