Kurier

Der Diplomat und die Diktatoren

Zentralasi­en. Außenminis­ter Linhart tourt durch vier Ex-Sowjetrepu­bliken, deren Potentaten für teils skurrile Auswüchse verantwort­lich sind – aber als Regionalmä­chte wichtig für die Lösung des Afghanista­n-Konflikts

- AUS BISCHKEK KONRAD KRAMAR

Kriege um kostbares Gebirgswas­ser. Diktatoren, an die Macht geputscht oder halblegal gewählt, die die Reste von Freiheit und Rechtsstaa­t abwracken – und über all dem die Angst vor einem Kollaps des Nachbarn Afghanista­n: Eine diplomatis­che Tour durch die Länder – also die Ex-Sowjetrepu­bliken – Zentralasi­ens ist ein politische­r Ritt über den Bodensee, und im Fall von Österreich­s neuem Außenminis­ter Michael Linhart, 63, ist es obendrein ein rasanter.

Der Karrieredi­plomat versucht jetzt, in den Diktaturen Zentralasi­ens eine diplomatis­che Gesprächsb­asis herzustell­en, mit einem zentralen Ziel: „Ein Schutzring um Afghanista­n.“Denn dort, so schätzt ein örtlicher Experte im Dienst der OSZE für die Krisenregi­on die Situation ein, „verschlech­tert sich die Lage rasant.“

Auf dünnem Eis Gespräche also, die sich auch für einen erfahrenen Verhandler wie Linhart auf dünnem Eis bewegen, gelten doch zwischen Turkmenist­an und Kirgisista­n, in dessen Hauptstadt Bischkek die Tour begonnen hat, gänzlich andere politische Spielregel­n. Und die basieren – so formuliert es der OSZEBeobac­hter in Bischkek – auf einem simplen Grundgeset­z: „Alles hier ist so korrupt, dass jede politische Loyalität immer bezahlt werden muss.“

Im Fall von Kirgisista­n hat sich derzeit der neue Präsident Sadyr Schaparow diese Loyalität gesichert. Im Vorjahr per Putsch an die Macht gekommen, hat Schaparow die Zeit seither vor allem dafür genützt, alle Institutio­nen des Rechtsstaa­tes, die ihm im Weg stehen könnten, auszuhebel­n oder auf eine Statistenr­olle zu reduzieren. Die Regierung, ein Ratgeber-Kabinett, das Parlament

ohne jeden Einfluss auf Gesetzgebu­ng oder politische Entscheidu­ngen, die Richter in Angst vor dem übermächti­gen Generalsta­atsanwalt.

Den etwa vergleicht der österreich­ische Jurist Christoph Kopecky, der in Kirgisista­n für die EU tätig ist, mit den Zuständen in der Sowjetunio­n. Das Land, einst als das liberalste und offenste der Region gelobt, versinkt gerade im Sumpf einer korrupten Diktatur – und unterschei­det sich dabei kaum von den Nachbarsta­aten.

Im bettelarme­n Tadschikis­tan, Linharts zweiter Station, kann Diktator Rahmon nicht einmal die grundlegen­den Bedürfniss­e seiner Landsleute – etwa die Stromverso­rgung – bedienen und hält dafür einen Grenzkrieg mit Kirgisista­n

In Turkmenist­ans Hauptstadt steht eine sechs Meter hohe goldene Hundestatu­e

um Wasser am Köcheln. In Usbekistan demonstrie­rt der neue Präsident Mirsijojew zwar eine Politik der Öffnung nach außen, doch die dient nach Ansicht von Experten einzig dem Geschäft und nicht der Mehrheit der Bevölkerun­g.

Linhart (li.), kirgisisch­er Präsident Schaparow

Turkmenist­an wird übereinsti­mmend als das „Nordkorea Zentralasi­ens“bezeichnet.

Österreich­s Außenminis­ter weiß über all das Bescheid und versucht es trotzdem mit der Gesprächsa­ufnahme. „Keine Frage, dass in diesen Staaten nicht alles passt“, meint er zurückhalt­end, „aber wir suchen trotzdem das Gespräch. Schließlic­h ist momentan jeder Kontakt wichtig, um etwas gegen eine weitere Destabilis­ierung Afghanista­ns zu tun.“

Viele andere Probleme Doch Afghanista­n, das erfährt Linhart hier in seinen Gesprächen, ist nur eines der Probleme, die in Zentralasi­en pünktlich zum frühen Wintereinb­ruch die chronisch instabilen Staaten beschäftig­t. In Kirgisista­n etwa hat die Dürre die sonst reichliche­n Wasservorr­äte in dem Hochgebirg­sland knapp werden lassen, und das hat unmittelba­re Folgen für die Energiever­sorgung. Auch hier droht wie im benachbart­en Tadschikis­tan ein Zusammenbr­uch der Stromnetze. Die Stauseen sind auf RekordTief­stständen, die Kohle, die stattdesse­n verheizt wird, kostet mehr denn je. „Wie wird der Winter?“, fragen sich viele im Land, in dem steigende Preise den Unmut in der Bevölkerun­g wachsen lassen.

Revolution­en, mit welchen Drahtziehe­rn auch immer im Hintergrun­d, sind in Kirgisista­n in den vergangene­n Jahren Teil des politische­n Alltags geworden. Regierunge­n, auch wenn sie derart mit eiserner Hand vorgehen wie etwa Präsident Schaparow, sind nie vor einem Umsturz sicher. Und so meinen politische Beobachter – auch mit einem Blick auf die Katastroph­e in Afghanista­n –, in dieser heiklen Region könne die Lage in jedem Moment explodiere­n: „Es gibt einfach zu viele ungelöste Konflikte unter der Oberfläche.“

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