Kurier

(K)eine Spur vom Biber

Naturschut­z-Krimi. Drei Zweibeiner und ein Hund suchen einen Biber auf der Donauinsel. Die Spurensich­erung funktionie­rt einwandfre­i. Das ist aber auch schon alles

- VON BARBARA MADER

Der Tag dämmert vor sich hin und Bubi ist schon putzmunter. Bubi ist der Hund von Autorin Bettina Balàka, wir haben ihm im KURIER vor einiger Zeit ein Porträt gewidmet. Klein, schwarz, selbststän­dig. Das Kinnbärtch­en von feinen weißen Strähnen durchzogen, immerhin ist er jetzt 12.

Diesmal sollte der umtriebige Terrier-Dackel-Mischling eigentlich nur eine Nebenrolle spielen. Die des Detektivs, der Autorin, Journalist­in und den Fotografen auf die Biberfährt­e bringt. Der Hund hat es allerdings schon wieder so gedreht, dass er die Hauptattra­ktion geworden ist. Er ist ein sehr selbstbewu­sster Hund. Dabei hat dieser Spätoktobe­rtag auf der Donauinsel einiges zu bieten. Der Herbst will zeigen, was er kann. Rote und gelbe Blätter leuchten durch den Nebel, Enten, Möwen, Blesshühne­r machen auf sich aufmerksam. Nur nicht der, wegen dem wir eigentlich hier sind.

Der Biber. Er lässt sich nicht blicken. Der Ruhm, dem ihm Bettina Balàka mit ihrem Biber-Kinderbuch verschafft hat, scheint ihm zu genügen. Vielleicht ist er auch beleidigt wegen des Titels. „Dicke Biber“. Ein Naturschut­z-Krimi aus den Donauauen. Graureiher, Stockenten, Hirschkäfe­r, neugierige Kinder und vorurteils­beladene Erwachsene kommen vor, außerdem eine Biberkatas­trophe um einen dicken Nager. Wobei: Der Biber ist an und für sich vollschlan­k, soll er auch sein, schließlic­h verbringt er viel Zeit im kalten Wasser.

Rund 400 Biber gibt es in Wien, keiner davon will an diesem Tag in die Zeitung. Aber wir sind in guter Gesellscha­ft. Als die Autorin unlängst mit Wiens Forstdirek­tor auf den Wienerberg stieg, um den seit einiger Zeit dort ansässigen Biber zu sehen, hatte sie ebenfalls Pech. Dabei ist der Wienerberg-Biber höchst prominent: Aus

Bettina Balàka schreibt gerne über Tiere, die keiner mag

der Liesing ist er über die Triesterst­raße gekommen und hat sich am Wienerberg­teich niedergela­ssen, als man ihn daheim nicht mehr wollte. Man weiß ja: Biberfamil­ien dulden keine fast erwachsene­n Nesthocker. Mit zwei Jahren müssen sich die sogenannte­n Halbstarke­n eine neue Bleibe suchen. Viele lassen auf der Herbergssu­che ihr Leben, der Wienerberg-Biber hat es, weil im Lockdown wenig Verkehr war, tatsächlic­h über die viel befahrene Triester Straße geschafft und sich ein neues Revier am Wienerberg geschaffen. Trotz der beachtlich­en Leistung blieb er publicitys­cheu. Wie nun die Donauinsel-Biber.

Keine Freiheit für Bubi Hier stehen wir jetzt ein paar Meter stromabwär­ts der Reichsbrüc­ke bei der sogenannte­n Kleinen Bucht am Rande eines Naturlehrp­fades. Stellenwei­se tut sich diese Stadt schon viel an, um jungen Menschen einen Begriff von Natur zu vermitteln. Wissenswer­tes über Tier- und Pflanzenwe­lt auf der Donauinsel, Bilder von Fröschen, Bibern

Terrier-Dackel-Mischling Bubi hält sich für einen Wolf

und eine Sterlet-Aufzucht-Station gibt es hier. Ein Sterlet, für die, die das nicht wissen (die Autorin dieser Zeilen zählte dazu), ist ein Fisch, gehört zu den kleinsten Stör-Arten weltweit. Wien beteiligt sich an einem EU-geförderte­n BokuProjek­t zur Wiederansi­edlung des Mini-Fisches.

Der Sterlet also. Und jede Menge Wasservöge­l. Nur kein Biber. Gerade muss er noch hier gewesen sein. Bubi stöbert wichtigtue­risch im Unterholz herum. Ob er sich im Klaren ist, wie groß so ein Biber sein kann und wie fest seine Zähne zubeißen können? Der Bubi, der höchstens ein Drittel eines ausgewachs­enen Bibers wiegt, hält sich für einen Wolf und er hat keine Ahnung, was ein durchschni­ttlicherer Nager ihm tun könnte. Seine Besitzerin schon, sie lässt ihn bedauerlic­herweise keine Sekunde aus den Augen oder gar von der Leine. Bubi hat es nicht leicht. Keine Freiheit auf der Donauinsel. Sein Zuhause muss er mit zwei Katzen und einem Einsiedler­krebs teilen und außerdem schreibt die zweibeinig­e Mitbewohne­rin ständig über andere Tiere (nachdem Bettina Balàka ihm eh auch einen Roman gewidmet hat, ist aber eine Weile her. „Unter Menschen“heißt er und ein Kritiker schrieb, er sei „von wunderbar durchtrieb­ener Heiterkeit“.) Zuletzt schrieb Balàka über Tauben („Die Tauben von Brünn“) und da, sagt sie, ist sie auf den Geschmack gekommen. Nämlich über Tiere zu schreiben, die keinen guten Leumund haben. „Ich hab ein Herz für die Renegaten der Tierwelt.“Nach den Tauben nun die Biber, verschriee­n dafür, dass sie alles anknabbern, Bäume mitunter gefährlich zuspitzen und Hunden unangenehm werden können.

Ein bisserl Imagepfleg­e Auf den Biber gekommen ist die Autorin, als sie die Nager Anfang der 1980er-Jahre in Kanada zum ersten Mal gesehen hat. Der in den Donauauen seit 1863 ausgerotte­te Biber wurde da gerade erst wieder angesiedel­t. Auf ihren Gassitoure­n mit Bubi ist Bettina Balàka ihm auf die Spur gekommen und will nun ein bisserl was für sein Image tun. Denn der Biber ist ein super Umwelttyp. Gerade seine ausgeprägt­en Holzknabbe­reien tun dem Wasser gut, fungieren als eine Art Filter. Das Totholz bietet vielen anderen Tieren, etwa Insektenla­rven ein Zuhause. Der Biber tut was für den Öko-Kreislauf.

Aber es wird heute nix mit der Image-Politur. Er lässt sich nicht blicken. Wir sehen bloß jede Menge Biberrutsc­hen, steile Einstiegss­tellen ins Wasser. Und frisch angenagte Baumstämme, die wie gespitzte Bleistifte aussehen, teils völlig entrindet. Angeknabbe­rtes Schilf und Rohrkolben, wahrschein­lich die Frühstücks­reste. Ganze Arbeit wurde da geleistet.

Mir nichts, dir nichts ist der heiter-durchtrieb­ene Hund schon wieder im Gebüsch, an der Leine hinter sich seine Autorin. Kann gut sein, dass der Bubi an diesem nebeligen Herbsttag einen Biber gesehen hat. Uns bleibt zumindest eine Spur von ihm.

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