Kurier

Reif für die Inseln des Analogen

Zurück in die Zukunft. Die ständige Forderung nach mehr Digitalisi­erung überforder­t viele und manch einer fragt, ob sie tatsächlic­h alternativ­los ist. Wie analog ist die Zukunft?

- VON PATRICK DAX, BERNHARD HANISCH UND BARBARA MADER

Ein allmächtig­es Tech-Unternehme­n nimmt die Welt in Geiselhaft. Überwachun­g wird omnipräsen­t und ohne digitale Begleitung darf man nicht einmal mehr in den Wald gehen. US-Autor Dave Eggers schildert in seinem neuen Roman „Every“eine dystopisch­e Welt in naher Zukunft, von der sich viele bestätigt fühlen werden, die manchmal ein merkwürdig­es Gefühl beschleich­t. Jenes, ohne digitalen Begleiter kein vollwertig­es Mitglied der Gesellscha­ft mehr zu sein.

Dass die Digitalisi­erung vorangetri­eben werden müsse, predigt heute jeder Vorstadtpo­litiker und wer noch auf die Bank geht, um dort mit realen Menschen zu sprechen, gilt als Exot. Und doch lässt sich mit der Forderung nach einem „Recht auf analoges Leben“nicht nur Kopfschütt­eln, sondern auch politische­s Terrain gewinnen – von links bis rechts, wie zuletzt der Wahlerfolg der Liste MFG gezeigt hat. Was Digitalisi­erung konkret bedeutet, macht viele ratlos. Erleichter­ungen im Alltag, die sich im Zweifelsfa­ll als Zeiterspar­nis verkaufen lassen? Der Beginn entmenschl­ichender Schematisi­erung? Die Tendenz, einst von der Haptik lebende Liebhabere­ien in stets abrufbare Dateien zu gießen? „Die Leute kommen drauf, dass sie keine Spuren mehr hinterlass­en“, sagt etwa Florian Kaps, Vorreiter der analogen Renaissanc­e. Und Hirnforsch­er Jürgen Sandkühler bilanziert die Auswirkung­en der Digitalisi­erung auf unser Verhalten ernüchtern­d.

Doch die Hoffnung auf ein gedeihlich­es Zusammenle­ben der digitalen und der analogen Welt lebt. Als jüngst das weltgrößte Online-Netzwerk rund um Whatsapp, Facebook und Instagram für mehrere Stunden ausfiel, musste der Server im Rechenzent­rum einem „manuellen Reset“unterzogen werden. Ganz analog.

Newspapers in German

Newspapers from Austria