Die zweidimensionale digitale Welt genügt unseren fünf Sinnen nicht
Wie der Wiener Florian Kaps nach der Fotografie den Rest der analogen Welt rettet
Post-Digital. Der britische Guardian bezeichnete Florian Kaps als „Wiener Antwort auf Steve Jobs“. Womöglich, weil Florian Kaps auch dann beharrlich bleibt, wenn seine Umgebung eine Geschäftsidee für „unmöglich“hält. Und er eine daraus entstehende Firma folgerichtig „The Impossible Project“nennt.
Florian „Doc“Kaps ist promovierter Biologe. Das Interesse für das Analoge an und für sich ist bei ihm mindestens so ausgeprägt wie jenes für Wissenschaft. Zunächst war da die Lomografie, auch experimentelle Schnappschussfotografie genannt. Darauf folgte das Thema Polaroid. Als Kaps 2008 das letzte PolaroidWerk im holländischen Enschede erwarb, sagte seine gesamte Umgebung, inklusive Ehefrau: „Bist du komplett bescheuert?“Es war der Beginn des „Impossible Projects“– unter diesem Titel übrigens ab Jänner 2022 als Film in Kino zu sehen.
Das scheinbar Unmögliche wurde möglich: Plötzlich waren auch die Digital Natives begeistert – „die, die wir bereits an das Smartphone verloren geglaubt hatten.“Die Rettung der PolaroidFabrik wurde zum Erfolg. Seit 2010 wird das klassische Filmmaterial für Sofortbilder wieder hergestellt und weltweit vertrieben.
„Doc“Kaps ist mittlerweile schon weiter. Auf Polaroid folgte „Supersense“, eine rein analoge Manufaktur im Dogenhof auf der Wiener Praterstraße: Werkstatt, Aufnahmestudio, und Geschäft in einem. Außerdem ein Geruchslabor und ein Café, in dem ausschließlich am Feuer gekocht wird. Und selbstverständlich hat auch die größte Polaroidkamera der Welt hier ein Zuhause gefunden. Beim momentan größten Projekt geht’s ums Hören. Das Supersense ist laut Kaps der einzige Ort der Welt, der Schallplatten direkt herstellt. Musiker wie die Fantastischen Vier, Gregory Porter, Hans Theessink oder das Jazztrio Café Drechsler spielen live auf der Bühne, werden aufgenommen und unbearbeitet auf Tonträgern festgehalten: Die daraus vor Ort entstehenden Schallplatten werden nicht gepresst, sondern auf einer selbst entwickelten Maschine geschnitten.
Keine Dinosaurier
Kaps’ erklärte Mission: Analoge Technologien vor dem Verschwinden zu bewahren und ihnen einen Platz in der digitalen Welt zu bieten. Übrigens auch im 25hours Hotel in Wien, wo Kaps die weltweit ersten „analogen Hotelzimmer“geschaffen hat. Mit Plattenspieler, Röhrenfernseher und Schreibmaschine. „Wir sind ein Versuchslabor. Wir wollen Brücken bauen, keine Dinosaurier am Leben erhalten.“Mittlerweile habe sich die analoge Gegenbewegung weltweit etabliert, sagt Kaps. „Sogar Konzerne wie Amazon versuchen jetzt, Buchläden zu eröffnen. Viele kommen drauf, dass ihre Kunden doch echte Menschen sind. Während Europa noch Milliarden für die Digitalisierung ausgibt, setzen sich Großkonzerne in den USA mit dem Gedanken auseinander, wie sie wieder in der Realität Fuß fassenkönnen.“Das Digitale sei immer hinter einer Glasscheibe, man könne es sehen und hören. Aber man könne es nicht schmecken, nicht riechen, nicht angreifen. „Der Mensch braucht seine fünf Sinne, um sich zu verlieben, Vertrauen zu fassen, sich wohlzufühlen und die richtigen Entscheidungen zu treffen. Die fünf Sinne sichern unser Überleben. In der zweidimensionalen Welt des Digitalen geht uns etwas ab. 5.000 FacebookFreunde sind schön, aber ein Mensch, der da ist und uns in den Arm nimmt, ist etwas anderes.“Und: „Die Leute kommen drauf, dass sie keine Spuren mehr hinterlassen.“
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