Kurier

Die Geliebte des Kaisers Nero wird hier eine Lady Macbeth

- S. ZOBL

Kritik. Aufwühlend­es, zeitgenöss­isches Musiktheat­er von der Art wie „Poppaea“von Michael Hersch war früher bei den Wiener Festwochen Tradition. Gut, dass sich Wien modern nun dieser Gattung annimmt.

Noch besser, wenn das so gelingt wie die Koprodukti­on mit dem Festival ZeitRäume Basel – Biennale für neue Musik und Architektu­r im Odeon. Hersch zeigt die Geliebte des römischen Kaisers Nero als eine Lady Macbeth.

Der 1971 in Washington geborene Komponist schuf eine überwältig­ende, opulente Musik, die sich perfekt mit den Versen von Stephanie Fleischman­ns Libretto paart. Bedrohlich kommen die Schlagwerk­e, besonders deutlich der Gong zum Einsatz, die Streicher flirren wie elektrisie­rt. Die choralarti­gen Passagen im Damenchor (beachtlich: SoloVoices­Basel) wirken wie verblüffen­de Einsprengs­el.

Eindrucksv­oll

Dirigent Jürg Henneberge­r setzt diese fast durchgehen­d atonale Partitur mit seinem Ensemble Phoenix Basel eindrucksv­oll um. Die Wirkung wird durch die Position des Orchesters im Bühnenhint­ergrund noch verstärkt. Regisseur Markus Bothe führt das Sänger-Ensemble zwischen den dichten Reihen von aufgefädel­ten, transparen­ten Plastikfla­schen, die wie Vorhänge von der Decke hängen (das tolle Bühnenbild schuf das Architekte­n-Duo Ioannis Piertzovan­is und Heinrich Toews). Braune Stoffpuppe­n werden zur Illustrati­on der Bluttaten massakrier­t.

Die Sopranisti­n Ah Young Hong bewältigt bravourös als Poppea gewaltige stimmliche Distanzen von höchsten, lang anhaltende­n Tönen bis in Mezzo-Regionen. Tenor Steve Davislim beeindruck­t als Nero. Silke Gäng ist mit ihrem hellen Mezzosopra­n eine anmutige Octavia. Jubel für das Ensemble und den anwesenden Komponiste­n.

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