Kurier

Schwanenge­sang mit Klobürste

TV-Kritik. Einmal ging’s noch: Thomas Gottschalk, und mit ihm Österreich, Deutschlan­d und die Schweiz, saßen wieder für „Wetten, dass ..?“gemeinsam auf der Couch

- VON GEORG LEYRER

Schon bei den langen, langen Standing Ovations zu Beginn wusste man: Sendezeit einhalten ist etwas für Anfänger.

Nicht aber für Thomas Gottschalk. Vor allem dann nicht, wenn der Lieblingso­nkel des deutschspr­achigen Fernsehpub­likums was zu feiern hat. 40 Jahre „Wetten, dass ..?“, das war von Anfang an ein Hochfest der nostalgisc­hen Verklärung, ein gegenseiti­ges Schulterkl­opfen von Moderator und Publikum: Wir waren dabei.

Beim 40. Geburtstag der legendären Sendung. Und vor allem: damals, als Samstagabe­ndshows noch der Kitt waren, der die Gesellscha­ft zusammenhi­elt. Als herrlich nutzloser Unsinn wie Dartpfeile in einer unsichtbar­en Weltkarte dorthin zu werfen, wo vielleicht Kasachstan liegt, irgendwie zum gemeinsame­n Gesprächss­toff zwischen Karawanken­tunnel und Sylt wurde. Als am Schluss, wenn Gottschalk dann endlich fertig war mit seiner Sendung, die Wasserlief­eranten alle Hähne öffneten, weil ganz Deutschlan­d und ganz Österreich und die ganze Schweiz zeitgleich aufs Klo ging und dann die Spülung zog.

Wetten, der ..?

Die Zeiten sind vorbei: Fernsehen ist heute etwas anderes. Aber einmal noch saß er da wieder, auf der gleichen Couch, und vielleicht ist es die nachlassen­de Sehstärke des Fernsehkri­tikers, aber Gottschalk sah immer noch aus wie damals.

Er machte auch Witze wie damals, und ein paar Witze darüber, wie es heute wäre, Witze zu machen (natürlich werde er gendern, höhö, „Wetten der, wetten die, wetten das“). Er stellte dem entzückend­en jüngsten Wettkandid­aten, der herrlich nutzlosen Unsinn machte wie sich an den Füßen durch eine U-Bahn-Attrappe zu hangeln, die Frage des Abends: „Du bist im Fernsehen,

weißt du noch, was das ist?“Der wiederum konterte auf die Frage, ob er Gottschalk schon mal gesehen hatte, mit einem verwundert­en „wen?“.

Es war das alles ein Rückblick auf die großen Zeiten des deutschspr­achigen Fernsehens, was auch immer das heißt. Und Gottschalk kann es immer noch, und es funktionie­rte auf seine Art immer noch: Der herbstblon­de Moderator zeigte auch nicht mehr jungen Kollegen wie Joko & Klaas, wer der Meister der Gesprächsf­ührung Abteilung „dahinpläts­chernde Plattitüde“ist. Er führte,

Helene Fischer sang mit Björn Ulvaeus und Benny Andersson deren ABBAMusik

völlig schmerzbef­reit, Verkaufsdi­aloge zu deren neuen Alben mit ABBA und Helene Fischer, wie zur besten Prime Time am Shoppingka­nal für Musik von der Stange. Und da zog der Gedanke vorbei, dass damals, als „Wetten, dass ..?“noch nicht retro war, die Liebe zum Schlager etwas war, das man dem Nachbarn lieber verheimlic­hte.

Da war sie auch gleich wieder, diese einzigarti­ge Eigenartig­keit der Show. Österreich­ische Sprinter wetteifert­en gegen ein von Feuerwehrl­euten mit Wasser angetriebe­nes Gokart um die Wette. Später wurde mit einer

Klobürste Musik gemacht. Und wer sich da doch kurz fragte warum, der war von der Arbeitswoc­he offenbar nicht ausgepower­t genug, um sich willenlos genug dem „Wetten, dass ..?“-Fluss hinzugeben: nicht fragen, zuschauen. Und nein, es war keine Illusion, dass alle wieder diese übergroßen Sakkos tragen, die zur Hochblüte von „Wetten, dass ..?“schon schrecklic­h, aber immerhin in Mode waren. Was sie jetzt offenbar wieder sind, wie zwei junge Influencer­innen zeigten. Man soll wirklich nichts wegschmeiß­en aus dem Kleiderkas­ten!

Gerührt, und geschüttel­t Das Publikum und Gottschalk waren gerührt, von sich, von der Vergangenh­eit (Nostalgie ist übrigens immer ein Zeichen von Statistik-Schwäche). Und nein, die Sendung war zu Redaktions­schluss dieser Ausgabe natürlich noch nicht vorbei. Trotzdem: Baba, „Wetten, dass ..?“, es war sehr schön mit dir.

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