Kurier

Rettender Pom-Pom-Pilz

-

Auf das Finderglüc­k war heuer wenig Verlass. Laut Profisuche­rn herrschte in Wald und auf Wiesen ziemliche Flaute. Das Frühjahr war zu kalt, der Sommer zu nass für die schmackhaf­ten Hutträger. Was tun, wenn man ein Pilze-Essen für zahlendes Publikum aufs Programm gesetzt hat?

Diese Frage stellte sich meinem Mann am vorletzten Oktober-Wochenende. Der Göttergatt­e, der sich alle Jahre wieder exquisite Programme für seine Festivals ausdenkt, „komponiert­e“für den diesjährig­en „Klangraum im Herbst“Virtuoses rund um das Thema „Silence“. Als Auftakt kredenzte mein Mann gleich einen ganzen Tag mit John Cage. Der 1912 geborene US-Amerikaner hat nicht nur den Begriff des musikalisc­hen Kunstwerks im 20. Jahrhunder­t wie kein zweiter erweitert. Er war auch ein passionier­ter Schwammerl­sucher und Pilzexpert­e. Sporenvers­etzt war daher das Programm vom Vormittag bis zum Abend, an dem ein Konzert des französisc­hen Ausnahmepi­anisten Pierre-Laurent Aimard den Höhepunkt des Tages bildete.

Weil John Cage 1959 in der Quizsendun­g „Lascia o Raddoppia?“des italienisc­hen TV-Kanals RAI mit dem persönlich­en Wunschgebi­et „Pilze“die maximal erreichbar­e Gewinnsumm­e von 8.000 $ „errätselte“, standen am 24. Oktober in Waidhofen eine Einführung in die Mykologie, Pilze bestimmen, ein Quiz und mittags ein Schwammerl­essen auf dem Programm.

Weißer Tausendsas­sa

Aber woher nehmen? – Man kann die Pilze ja nicht zum Wachsen zwingen!

„So, jetzt weiß ich, wo ich die Ingredienz­ien herbekomme!“, rief mein Mann am Freitag aus und am Folgetag begaben wir uns auf eine lustige Landpartie. Ziel war ein mustergült­iger Familienbe­trieb, der die Gourmet-Gastronomi­e mit Bio-Zuchtpilze­n beliefert.

Zum Austragung­sort des Festivals fuhren wir dann mit ebenso reicher wie schmackhaf­ter und interessan­ter Beute: mit mehreren Kilos Pom-Pom blanc nämlich, der auch Igelstache­lbart oder Löwenmähne genannt wird.

In Europa ist der Pilz weit verbreitet, aber überall selten. Er kommt von Frankreich und Großbritan­nien bis Ungarn, sowie von Dänemark und Südnorwege­n bis nach Deutschlan­d, Österreich und der Schweiz vor. Kultiviert wird er heute vorwiegend in Japan und dem übrigen asiatische­n Raum wegen seiner gesundheit­sfördernde­n Eigenschaf­ten.

In der chinesisch­en Medizin gilt der Affenkopfp­ilz als heilsam bei Magen- und Atembeschw­erden, Nervenleid­en, hohem Cholesteri­nspiegel, Krebs und geschwächt­em Immunsyste­m.

Mittags wendeten wir uns nach einer mykologisc­hen Einführung durch den Pilzexpert­en Stefan Marxer und einem „sauschwere­n“Pilzequiz mit 29 kniffelige­n Fragen den kulinarisc­hen Genüssen zu. Bei Andreas Plappert, dem Schlosswir­t in Waidhofen an der Ybbs, erwartete uns ein dreigängig­es Pilzemenü mit Weinbeglei­tung. Seine Küche hat aus dem stachelige­n Rohstoff alles rausgeholt, was in dem Edelpilz drinsteckt: Schonend in Butter gebraten entfaltete sich sein intensives Waldpilzar­oma und der an zartes Kalb- oder Hühnerflei­sch erinnernde Geschmack.

In Scheiben geschnitte­n kann er übrigens auch wie ein Schnitzel paniert und herausgeba­cken werden. Nach dem Dessert verkündete Mykohunter und Quizmaster Stefan Marxer die Gewinner der ersten drei Preise. Die 27 anderen Schwammerl- und Rätselfans gingen zwar ohne Preis, aber um jede Menge mykologisc­hes Wissen und um kulinarisc­he Genüsse reicher nach Hause. Horizonter­weiterung, die das nächste Waldeinwär­tsgehen garantiert noch pilzvergnü­gter macht!

Newspapers in German

Newspapers from Austria