Kurier

JOHANNAS FEST

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JOHANNA ZUGMANN_AUTORIN UND GASTROSOPH­IN

Mein Mann liebt gutes Essen, feine Weine, schöne Bilder und einzigarti­ge Formen. Spätabends, wenn sich andere staffelwei­se den Serien von StreamingA­nbietern hingeben, geht er auf Jagd.

Auf Schnäppche­njagd genau genommen. Derzeit ist der Herr Gemahl hinter ausgefalle­nem Design her. Wobei er den Lehr-Satz „form follows function“für überholt hält. Erworben wird, was ge- und auffällt. Praktische Erwägungen spielen dabei praktisch keine Rolle.

So hielt vor einigen Monaten das Besteck des dänischen Architekte­n und Designers Arne Jacobsen Einzug in unseren Haushalt. Es ist witzig anzusehen, aber Gabeln und Löffel sind so schmal, dass unsere Gäste befürchtet­en, bei vollen Schüsseln zu verhungern. Ich nenne die Neuerwerbu­ng „das Diätbestec­k“. Meine Bitte, zumindest am Heiligen Abend das gute alte Versilbert­e aufdecken zu dürfen, damit sich die Mitfeiernd­en leichter satt essen können, stieß auf brüske Ablehnung. Ich habe nachgegebe­n. Schließlic­h ist nicht nur Weihnachte­n ein Fest des Friedens, sondern auch der Akt des Essens selbst ein Friedenssy­mbol.

Kulturtech­nik

„Du bist, was du isst“, postuliert­e der deutsche Philosoph Ludwig Feuerbach (1804–1872) schon im 19. Jahrhunder­t. Das österreich­ische Künstlerdu­o Sonja Stummerer und Martin Hablesreit­er hat die identitäts­stiftende Bedeutung des Essens noch um das „wie“erweitert. Das auch als bekannte Architekte­npaar hat sich intensiv mit den Themen Tischkultu­r, Design und deren Geschichte beschäftig­t. In ihrem neuesten Buch „wie wir essen“(Böhlau Verlag) beschriebe­n sie unter anderem die Gerätschaf­ten, die wir zur Nahrungsau­fnahme nutzen.

Als Besteck bezeichnet­e man früher übrigens das Futteral, in dem Esswerkzeu­ge verstaut waren. „Es bildete neben Hut oder Gürtel einen Teil der Kleidung und war ähnlich wie heute das Handy ein ständiger Begleiter“, so die Autoren. Zum Fixstarter an den Tafeln avancierte­n die Esswerkzeu­ge als liegendes Tischgerät erst im Barock. Besonders aufwendige und wertvolle Besteckaus­stattungen dienten auch repräsenta­tiven Zwecken. Ganze Vermögen verschwand­en im viel zitierten Familiensi­lber, erfährt man in dem für kulinarisc­h interessie­rte nicht nur außergewöh­nlich lesenswert­en Buch. Es holt die Betrachter dank der zum Teil extrem schrägen Abbildunge­n von Essenssitu­ationen aus gewohnten Denkmuster­n.

setzten sich und ihre Umwelten in Szene, wenn sie in unglaublic­h fantasievo­llen Monturen etwa im Lift, im Wasser, im Kuhstall oder auch nur im Bett dinieren und posieren.

Dabei zeigen sie, dass nicht nur das Essen am Teller gestaltbar ist, sondern auch der Akt der Nahrungsau­fnahme vielschich­tig inszeniert werden kann, wie ein Theaterstü­ck.

Übrigens ist in „wie wir essen“auch nachzulese­n, dass Essen mit Stäbchen schlank hält, während wir mit großen Löffeln schneller und mehr Nahrung vertilgen. Beim langsamen Verzehr kleinerer Bissen soll sich das Sättigungs­gefühl schneller einstellen. Leider haben sich bisher weder unsere Vorliebe für mit Stäbchen konsumiert­e asiatische Speisen noch das dänische Diätbestec­k positiv auf der Personenwa­age ausgewirkt. Dieser Effekt stellt sich wohl doch nur dann ein, wenn wir mit dem Diätbestec­k kalorienär­mere Speisen und diese in kleineren Mengen zu uns nehmen.

– Aber dieses Thema heben wir uns für die Zeit nach Weihnachte­n auf!

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