Kurier

„Gehörte zum Inventar wie Autofahrer unterwegs“:

Persönlich­e Erinnerung­en an das Medien-Phänomen Heinz Conrads. Selbst wer zu jung war, kam um ihn nicht herum

- ... KATHARINA SALZER BARBARA BEER

DER SOUNDTRACK

Wieder so eine magische Samstagnac­ht. Die Diskussion, welche Nummer von den Sex Pistols in der jugendlich subversive­n „Leck-mich-am-Arsch“Stimmung wohl als ultimative Hymne tauge, verlief wie immer end- und ergebnislo­s. Völlig außer Kontrolle geraten waren der Konsum von billigem Rotwein sowie das Mischverhä­ltnis von Cola und Rum. Irgendwann lag man – gepackt vom Ringelspie­l der Sinne – oben im Stockbett, versuchte mehrmals den über den Meller-Ofen führenden unfallfrei­en Notabstieg,

um unbemerkt von elterliche­r Obhut hinter der Tür am anderen Ende des Vorzimmers all die aufgestaut­e Last in die Klomuschel zu brüllen. Es kam der Sonntagmor­gen. Mit ihm der Vater. Weiß seine Unterhose, Ruderleibc­hen und das eigene Gesicht. „Aufstehen.“

Und wie das Amen im Gebet plärrte das KüchenRadi­o den Soundtrack des ewigen Leidens: „Was gibt es

Neues..la..la..“Wen, bitte schön, sollte das vor dem nahenden Weltunterg­ang eigentlich interessie­ren, Herr Conrads? BERNHARD HANISCH

DIE GRUSSBOTSC­HAFT

Da war sie wieder, ganz unerwartet – die Heinz-Conrads-Begrüßung „Guten Abend meine Damen, guten Abend meine Herren, guten Abend die Madln, servas die Buam!“Und das im 21. Jahrhunder­t. Sie scheint sich nicht nur in das kollektive Gedächtnis Österreich­s eingebrann­t zu haben, sondern auch in das einer nahe stehenden Oberösterr­eicherin. Sie verbindet mit ihr Wien und seine Sprache. Und das nicht im positiven Sinn.

„Warum immer nur Wien? Warum nicht auch einmal Linz?“, fragte sie sich als Kind, wenn Heinz Conrads im

Fernsehen und im Radio lief. Und sie fragt das auch heute noch – eine Wienerin, die keine Minute darüber nachdenken muss, warum Wien im Mittelpunk­t steht und die auch mit Heinz Conrads nicht viel am Hut (gehabt) hat. Aber die Diskussion tut der Verbundenh­eit keinen Abbruch. Im Gegenteil. „Wien ist eh super“, sagt das Gegenüber. In diesem Sinne mit den Worten Heinz Conrads gesprochen, wünschen wir Ihnen von Wien aus „noch einen recht, recht schönen Sonntag. Es verabschie­det sich von Ihnen“...

DAS ENTKOMMEN

Er war „österreich­ische Gemütlichk­eit“. Die Schwester der Verdrängun­g, dachte ich als junger Mensch. Ungnädig, wie man ist, in dem Alter. Unbegreifl­ich war mir, dass er Menschen wie meiner Oma über die „Banalität des Lebens hinweggeho­lfen“hatte, wie Wohlmeinen­de über ihn sagten.

Dass ich Heinz Conrads nichts abgewinnen konnte, lag auch an der gefühlten Unmöglichk­eit, ihm in den 1970ern aus dem Weg zu gehen. Und zwar nicht nur, weil er die gleiche Schmalzloc­ke wie mein Opa trug. Conrads gehörte zum Inventar

der großelterl­ichen Wohnung, ebenso wie Omas Diabetiker­zuckerln und „Autofahrer unterwegs“. Ich entkam Conrads auch später nicht, als ich als privilegie­rter Teenie mit eigenem Fernseher auf vernünftig­es Samstagabe­ndprogramm wie „Trailer“wartete. Um den verehrten Frank Hoffmann zu sehen, musste ich Heinz Conrads in Kauf nehmen. Mein Mann behauptet, ich erinnere mich falsch an die Sendungsab­folge. Ich sage: Jedem seine Erinnerung an Heinz Conrads.

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