„Gehörte zum Inventar wie Autofahrer unterwegs“:
Persönliche Erinnerungen an das Medien-Phänomen Heinz Conrads. Selbst wer zu jung war, kam um ihn nicht herum
DER SOUNDTRACK
Wieder so eine magische Samstagnacht. Die Diskussion, welche Nummer von den Sex Pistols in der jugendlich subversiven „Leck-mich-am-Arsch“Stimmung wohl als ultimative Hymne tauge, verlief wie immer end- und ergebnislos. Völlig außer Kontrolle geraten waren der Konsum von billigem Rotwein sowie das Mischverhältnis von Cola und Rum. Irgendwann lag man – gepackt vom Ringelspiel der Sinne – oben im Stockbett, versuchte mehrmals den über den Meller-Ofen führenden unfallfreien Notabstieg,
um unbemerkt von elterlicher Obhut hinter der Tür am anderen Ende des Vorzimmers all die aufgestaute Last in die Klomuschel zu brüllen. Es kam der Sonntagmorgen. Mit ihm der Vater. Weiß seine Unterhose, Ruderleibchen und das eigene Gesicht. „Aufstehen.“
Und wie das Amen im Gebet plärrte das KüchenRadio den Soundtrack des ewigen Leidens: „Was gibt es
Neues..la..la..“Wen, bitte schön, sollte das vor dem nahenden Weltuntergang eigentlich interessieren, Herr Conrads? BERNHARD HANISCH
DIE GRUSSBOTSCHAFT
Da war sie wieder, ganz unerwartet – die Heinz-Conrads-Begrüßung „Guten Abend meine Damen, guten Abend meine Herren, guten Abend die Madln, servas die Buam!“Und das im 21. Jahrhundert. Sie scheint sich nicht nur in das kollektive Gedächtnis Österreichs eingebrannt zu haben, sondern auch in das einer nahe stehenden Oberösterreicherin. Sie verbindet mit ihr Wien und seine Sprache. Und das nicht im positiven Sinn.
„Warum immer nur Wien? Warum nicht auch einmal Linz?“, fragte sie sich als Kind, wenn Heinz Conrads im
Fernsehen und im Radio lief. Und sie fragt das auch heute noch – eine Wienerin, die keine Minute darüber nachdenken muss, warum Wien im Mittelpunkt steht und die auch mit Heinz Conrads nicht viel am Hut (gehabt) hat. Aber die Diskussion tut der Verbundenheit keinen Abbruch. Im Gegenteil. „Wien ist eh super“, sagt das Gegenüber. In diesem Sinne mit den Worten Heinz Conrads gesprochen, wünschen wir Ihnen von Wien aus „noch einen recht, recht schönen Sonntag. Es verabschiedet sich von Ihnen“...
DAS ENTKOMMEN
Er war „österreichische Gemütlichkeit“. Die Schwester der Verdrängung, dachte ich als junger Mensch. Ungnädig, wie man ist, in dem Alter. Unbegreiflich war mir, dass er Menschen wie meiner Oma über die „Banalität des Lebens hinweggeholfen“hatte, wie Wohlmeinende über ihn sagten.
Dass ich Heinz Conrads nichts abgewinnen konnte, lag auch an der gefühlten Unmöglichkeit, ihm in den 1970ern aus dem Weg zu gehen. Und zwar nicht nur, weil er die gleiche Schmalzlocke wie mein Opa trug. Conrads gehörte zum Inventar
der großelterlichen Wohnung, ebenso wie Omas Diabetikerzuckerln und „Autofahrer unterwegs“. Ich entkam Conrads auch später nicht, als ich als privilegierter Teenie mit eigenem Fernseher auf vernünftiges Samstagabendprogramm wie „Trailer“wartete. Um den verehrten Frank Hoffmann zu sehen, musste ich Heinz Conrads in Kauf nehmen. Mein Mann behauptet, ich erinnere mich falsch an die Sendungsabfolge. Ich sage: Jedem seine Erinnerung an Heinz Conrads.