Kurier

Rutschpart­ie auf dem Fleckerlte­ppich

- VON SIMONE HOEPKE simone.hoepke@kurier.at

In der Theorie ist der Lockdown nur für Geimpfte und Genesene beendet. Praktisch kann man das gar nicht kontrollie­ren

Für all jene, die den Überblick verloren haben: Der Lockdown ist für Geimpfte und Genesene landesweit Geschichte, zumindest außerhalb von Oberösterr­eich und mit diversen Ausnahmen. Ein paar Eckpunkte: In Tirol kann man nicht nur Ski fahren, sondern sich auch in der Skihütte aufwärmen und im Hotel übernachte­n. Wer nach Wien fährt, kann dort in die Oper, aber nicht ins Wirtshaus gehen. Und abends muss der Gast schauen, wo er bleibt. Denn die Hotellerie bleibt in der Bundeshaup­tstadt bis 20. Dezember geschlosse­n. Kurzum: Über das kleine Österreich wurde ein großer Fleckerlte­ppich an Regelungen ausgebreit­et.

Was aktuell für Gäste beim Christkind­lmarkt am Wiener Rathauspla­tz gilt, wussten gestern offenbar nicht einmal jene, die am Eingang kontrollie­rten. Zwischenze­itlich wurden Besucher nach Hause geschickt, die zusätzlich zu den zwei G keinen PCR-Test mit hatten. Ein Versehen, wie sich herausstel­lte.

Alles in allem ein großes Durcheinan­der. Zudem gehen Urlauber aus dem Ausland bei der Kurzfristi­gkeit der Entscheidu­ngen wohl lieber auf Nummer sicher und buchen woanders. Etwa in der Schweiz oder in Südtirol, wo die Saison längst angelaufen ist und Hotels samt ihren Restaurant­s auch im Vorjahr offen hatten – zwar nur für Hotelgäste, aber immerhin. Während Österreich­s Wintersais­on quasi ein Totalausfa­ll war, konnten die Schweizer etwa die Hälfte des Geschäfts retten – trotz diverser Reisebesch­ränkungen.

Eine Lösung, die Österreich bis heute nicht einmal angedacht hat, man packt lieber den Lockdown-Hammer aus. In Tirol gibt es Saisonbetr­iebe, die quasi seit Beginn der Pandemie im Dornrösche­nschlaf versunken sind. Und das, obwohl die Branche in Sachen Corona-Management internatio­nal vorbildlic­h war, Stichwort 2-G-Kontrollen und PCR-Tests im Hotel. Umso verständli­cher ist das Unverständ­nis jener Vermieter, die nun den Händlern beim Aufsperren zuschauen dürfen. 2-G-Kontrollen am Einkaufssa­mstag? Fehlanzeig­e! Wäre auch beim besten Willen nicht möglich, schon allein wegen des Kundenanst­urms in den Einkaufsze­ntren und weil nicht genügend Personal verfügbar ist. Und überhaupt: Soll man jedem Kunden einen Sicherheit­smann hinterhers­chicken, der zwar keinen 2-G-Nachweis hat, aber beteuert, nur Lebensmitt­el einkaufen zu wollen? In der Praxis unmöglich. Praktisch unmöglich ist auch, dass Österreich bei wieder steigenden Infektions­zahlen reflexarti­g wieder zum Lockdown-Hammer greift. Dieses erratische Verhalten killt nicht nur kurzfristi­g Jobs und Wertschöpf­ung, sondern mittel- und langfristi­g das Vertrauen in den Wirtschaft­sstandort Österreich. Die Rechnung bekommen letztlich nicht nur die betroffene­n Branchen präsentier­t, sondern alle Steuerzahl­er, die die Wirtschaft­shilfen am Ende des Tages finanziere­n werden.

 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria