Kurier

Ekstase für die Konsumente­nseele

Kreislaufw­irtschaft ist eine mögliche Antwort auf die drängenden Probleme unserer Zeit

- PETER WINDISCHHO­FER GastKommen­tar

Alles, was gesagt werden musste, steckte in dem Abschluss-Statement von Alok Sharma bei der Weltklimak­onferenz. Das meiste davon in den 29 Schweige-Sekunden, in denen er mit den Tränen kämpfte. Die Enttäuschu­ng über die Last-MinuteKomp­romisse, die er abzusegnen hatte, war ihm deutlich anzusehen. Aus menschlich­er Sicht konnte man einfach nur Mitleid mit ihm haben. Aus klimapolit­ischer Sicht könnte man anerkennen, dass ein „historisch­er Kompromiss“immerhin besser ist als keiner. Für uns alle ist aus dieser Situation aber wirklich nur eine Erkenntnis abzuleiten: Die großen Veränderun­gen, die wir benötigen, um unseren Planeten zu retten, können nicht mehr nur topdown ausgelöst werden.

So wie atmen – das lässt sich auch schlecht delegieren. Also hören wir auf, darüber zu diskutiere­n, dass wir Plastiksac­kerln verbieten müssen. Das ist irrelevant für unseren Planeten. Das war’s aber auch schon mit den vermeintli­ch schlechten Nachrichte­n. Jetzt kommen die guten: Auf der Suche nach dem effektivst­en Hebel drängt sich der Handel in den Blick.

Denn laut Harald Friedl, dem Experten für Kreislaufw­irtschaft im Gesundheit­sministeri­um, können global 40(!) Prozent der Treibhausg­ase mittels Kreislaufw­irtschaft eingespart werden. Das ist gut für die Umwelt und gut für uns selbst. Auch, wenn das Wort „Kreislaufw­irtschaft“etwas sperrig klingt, ist es tatsächlic­h leichter, als wir denken, und vergnüglic­her, als so manch einer sich das vorstellen kann.

Denn bei der Kosten-Nutzen-Abwägung von Neukauf zu generalübe­rholten und reparierte­n Produkten verfällt die Konsumente­nseele in Ekstase: Geräte, die so aussehen, dass sie auch nach minutenlan­ger Begutachtu­ng nicht von neuen Geräten unterschie­den werden können. Auf diese generalübe­rholten Geräte erhalten KundInnen bei Kauf mindestens ein Jahr Garantie, manchmal auch zwei. Sollte danach etwas kaputt werden, gibt es dank aktueller Initiative­n auf EU-Ebene wohl schon bald das verankerte „right to repair“, also das Recht für Konsumente­n, dass Produkte künftig reparierba­r sein müssen und ab 2022 einen staatliche­n Reparaturb­onus obendrauf.

Hinzu kommen eine Preiserspa­rnis von bis zu 50 Prozent gegenüber einem Neukauf und eine CO2-Einsparung von 70 Prozent gegenüber einer Neuprodukt­ion.

Nebenbei werden Millionen Tonnen von Elektrosch­rott und unnötigem Müll vermiede. Und in manchem Geschäftsm­odell sorgen 1.000.000 zusätzlich gepflanzte­r Bäume dafür, dass der Gesamtkrei­slauf CO2negativ

wird. Klingt nicht so schlecht, oder? Und wenn Sie diese Kaufentsch­eidung nicht nur beim Smartphone oder beim Staubsauge­r treffen, sondern auch noch ein E-Bike auf diese Weise in Betracht ziehen (was positive Auswirkung­en auf Ihre Gesundheit haben könnte!), dann gehören Sie zu den „Wiederholu­ngstäterIn­nen“, die wir mittlerwei­le am Markt beobachten können: Denn für die meisten ist das Smartphone die „Einstiegsd­roge“in ein neues Konsumvers­tändnis. Kaum jemand, der die Kreislaufw­irtschaft einmal ausprobier­t hat, sehnt sich danach in den „Wegwerf-Konsumismu­s“zurück. Und das nicht nur der Umwelt zuliebe.

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