Ekstase für die Konsumentenseele
Kreislaufwirtschaft ist eine mögliche Antwort auf die drängenden Probleme unserer Zeit
Alles, was gesagt werden musste, steckte in dem Abschluss-Statement von Alok Sharma bei der Weltklimakonferenz. Das meiste davon in den 29 Schweige-Sekunden, in denen er mit den Tränen kämpfte. Die Enttäuschung über die Last-MinuteKompromisse, die er abzusegnen hatte, war ihm deutlich anzusehen. Aus menschlicher Sicht konnte man einfach nur Mitleid mit ihm haben. Aus klimapolitischer Sicht könnte man anerkennen, dass ein „historischer Kompromiss“immerhin besser ist als keiner. Für uns alle ist aus dieser Situation aber wirklich nur eine Erkenntnis abzuleiten: Die großen Veränderungen, die wir benötigen, um unseren Planeten zu retten, können nicht mehr nur topdown ausgelöst werden.
So wie atmen – das lässt sich auch schlecht delegieren. Also hören wir auf, darüber zu diskutieren, dass wir Plastiksackerln verbieten müssen. Das ist irrelevant für unseren Planeten. Das war’s aber auch schon mit den vermeintlich schlechten Nachrichten. Jetzt kommen die guten: Auf der Suche nach dem effektivsten Hebel drängt sich der Handel in den Blick.
Denn laut Harald Friedl, dem Experten für Kreislaufwirtschaft im Gesundheitsministerium, können global 40(!) Prozent der Treibhausgase mittels Kreislaufwirtschaft eingespart werden. Das ist gut für die Umwelt und gut für uns selbst. Auch, wenn das Wort „Kreislaufwirtschaft“etwas sperrig klingt, ist es tatsächlich leichter, als wir denken, und vergnüglicher, als so manch einer sich das vorstellen kann.
Denn bei der Kosten-Nutzen-Abwägung von Neukauf zu generalüberholten und reparierten Produkten verfällt die Konsumentenseele in Ekstase: Geräte, die so aussehen, dass sie auch nach minutenlanger Begutachtung nicht von neuen Geräten unterschieden werden können. Auf diese generalüberholten Geräte erhalten KundInnen bei Kauf mindestens ein Jahr Garantie, manchmal auch zwei. Sollte danach etwas kaputt werden, gibt es dank aktueller Initiativen auf EU-Ebene wohl schon bald das verankerte „right to repair“, also das Recht für Konsumenten, dass Produkte künftig reparierbar sein müssen und ab 2022 einen staatlichen Reparaturbonus obendrauf.
Hinzu kommen eine Preisersparnis von bis zu 50 Prozent gegenüber einem Neukauf und eine CO2-Einsparung von 70 Prozent gegenüber einer Neuproduktion.
Nebenbei werden Millionen Tonnen von Elektroschrott und unnötigem Müll vermiede. Und in manchem Geschäftsmodell sorgen 1.000.000 zusätzlich gepflanzter Bäume dafür, dass der Gesamtkreislauf CO2negativ
wird. Klingt nicht so schlecht, oder? Und wenn Sie diese Kaufentscheidung nicht nur beim Smartphone oder beim Staubsauger treffen, sondern auch noch ein E-Bike auf diese Weise in Betracht ziehen (was positive Auswirkungen auf Ihre Gesundheit haben könnte!), dann gehören Sie zu den „WiederholungstäterInnen“, die wir mittlerweile am Markt beobachten können: Denn für die meisten ist das Smartphone die „Einstiegsdroge“in ein neues Konsumverständnis. Kaum jemand, der die Kreislaufwirtschaft einmal ausprobiert hat, sehnt sich danach in den „Wegwerf-Konsumismus“zurück. Und das nicht nur der Umwelt zuliebe.