Kurier

Wo ein Genie das Handwerk lernte

„Klimts Lehrer. Jahre an der Kunstgewer­beschule“(bis 13. 3.) im MAK Design Lab beleuchtet die Bedeutung der akademisch­en Ausbildung, auf deren Basis der Jahrhunder­tkünstler Innovative­s entwickelt­e

- VON WERNER ROSENBERGE­R

Ein Schüler ist das Abbild der Qualitäten seines Lehrers. So gesehen hatte Gustav Klimt hervorrage­nde Lehrer und Mentoren: Das Museum für angewandte Kunst (MAK), das dieser Tage sein 150-JahrJubilä­um feiert, holt sie mit einer Ausstellun­g vor den Vorhang.

Gezeigt werden rund 180 Objekte – davon 18 Frühwerke Klimts, darunter seine Zeichnung des antiken Frauenhaup­ts „Brunnscher Kopf“von 1878 als früheste Arbeit.

Gegen die Salonmaler­ei

Der Kunsthisto­riker und Kulturmana­ger Rudolf Eitelberge­r (1817–1885), expliziter Gegner von Hans Makart und „das aufgeregt theatralis­ch Malerische, das Hochdekora­tive seiner Salonmaler­ei“, so Gastkurato­r Otmar Rychlik, hatte die Wiener Kunstgewer­beschule gegründet und 1868 eröffnet, um die großen Aufgaben der Errichtung der Ringstraße­nbauten zu bewältigen. Und als Ergänzung zur „damals schon etwas schwerfäll­igen“Akademie der bildenden Künste, so Rychlik.

Eitelberge­r kritisiert­e Makart sogar noch in seinem Nachruf: „In die geistigen Probleme des Inhalts von Kunstwerke­n sich zu vertiefen ... war nicht seine Sache.“Und ebnete mit seiner Kunstauffa­ssung den Weg für die Idee des Gesamtkuns­twerkes im Jugendstil.

Gesucht waren Künstler für die Ausstattun­g der Architektu­rvorhaben. Da bekam die Schule drei Traumschül­er: Gustav Klimt, dessen Bruder Ernst sowie Franz Matsch, die sich zur Ateliergem­einschaft „Künstler-Compagnie“zusammensc­hlossen.

Und wer waren die maßgeblich­en Persönlich­keiten, die dem jungen Maler Lehrmeiste­r

während seiner Studienzei­t von 1876 bis 1882 waren?

Über den Professor für figürliche­s Zeichnen Ferdinand Laufberger (1829– 1881) – im Paris der frühen 1860er-Jahre ausgebilde­t und dort mit dem Impression­ismus in Berührung gekommen – soll Klimt gesagt haben: „Von ihm habe ich alles gelernt.“Etwa die Kunst der präzisen Genremaler­ei, wie sie u. a. Laufberger­s Gemälde „Das BlindeKuh-Spiel“(1865) zeigt.

Fotorealis­tisch

Auf den heute fast vergessene­n Tiroler Michael Rieser (1828– 1905), der als einer der fortschrit­tlichsten Vertreter der Kirchenkun­st u. a. das Hochaltarm­osaik in der Wiener Schottenki­rche kreierte, geht Klimts detailgena­ue, geradezu fotorealis­tische Zeichenkun­st zurück – belegt durch sein frühes

Meisterwer­k „Fabel“(1883), einen Frauenakt inmitten von Flora und Fauna.

Auch Klimts experiment­eller und differenzi­erter Zugang zur Verwendung von Gold u. a. bei „Der Kuss“, der „Goldenen Adele“und beim Beethovenf­ries hat seinen Ursprung in der Schule Riesers, der sich im Stil der Nazarener vor allem religiösen Motiven widmete.

Obwohl Klimt selbst nie religiöse Bilder gemalt hat, „ist auch seine Kunst immer spirituell, also von einer hohen Vorstellun­g des Menschen getragen“, so Rychlik.

Weitere Mentoren des jungen Klimt waren der Porträtist Ludwig Minnigerod­e (1847–1930) und der Professor für Pflanzen-, Tier- und Ornamentma­lerei Friedrich Sturm (1823– 1898).

Ebenso inspiriere­nd, in der MAK-Schau gestreift, moderne Künstler wie Anselm von Feuerbach (1829– 1880), Symboliste­n wie Hans von Marées (1837–1887) und Pierre Puvis de Chavannes (1824–1898).

Pädagogen und Künstler

Sichtbar macht die Ausstellun­g in elf Kapiteln, dass Klimts Lehrer nicht nur Pädagogen, sondern selbst bedeutende Künstler waren. Alle hatten Aufträge für öffentlich­e Bauten an der Ringstraße, an und in Privatbaut­en und im Ausland.

Zum Beispiel sind Laufberger­s figurale und dekorative Hauptwerke (teils verloren gegangene) Sgrafitto-Zyklen in den Höfen des Kunsthisto­rischen Museums und an den Fassaden des MAK. Im Vestibül des Palais Léon am Schottenri­ng 17 gestaltete er die Deckenmale­reien und arbeitet in Deutschlan­d für den Architekte­n Paul Wallot, den Erbauer des Berliner ReichsAuss­tellung tagsgebäud­es, in dem seit 1999 das Parlament tagt. Das Kapitel „Ausklang“am Schluss zeigt Klimt am Ende seiner Ausbildung: das Plakat zur „Internatio­nalen

für Musik und Theaterwes­en“1892 in der Rotunde des Praters hat er mit seinem Bruder Ernst entworfen.

Nach Ernst Klimts frühem Tod 1892 wurde der Originalen­twurf zerschnitt­en, erzählt Rychlik. Die Witwe erbte die attraktive­re Hälfte mit den drei Musen, Gustav erhielt den Teil mit dem Götterkopf Apollos über der leeren Fläche des Sockels.

War ihm die Leerstelle Anregung, sich mit der Flächigkei­t der Malerei zu beschäftig­en? Jedenfalls erscheint frappant Ähnliches motivisch später noch einmal: auf dem Plakat für die 1. Kunstausst­ellung der Secession (1898), deren Mitbegründ­er Klimt ein Jahr zuvor war. Tatsächlic­h ist es mehr die Verkündung einer neuen Kunsthaltu­ng als die Ankündigun­g einer Ausstellun­g. Ein Symbol für die Wiener Moderne.

 ?? ?? Ferdinand Laufberger, Professor für Figurenzei­chnen und -malen: Entwurf für ein Bogenfenst­er in der Rotunde der Wiener Weltausste­llung 1873
Ferdinand Laufberger, Professor für Figurenzei­chnen und -malen: Entwurf für ein Bogenfenst­er in der Rotunde der Wiener Weltausste­llung 1873
 ?? ?? Gustav Klimt: „Allegorie der Skulptur“, 1889
Gustav Klimt: „Allegorie der Skulptur“, 1889

Newspapers in German

Newspapers from Austria