Kurier

Bei Vollmond ab in die Scheune: Neil Young ist zurück in der Natur

„Barn“ist das 41. Studioalbu­m des gebürtigen Kanadiers, begleitet wird er wieder von Crazy Horse

- GUIDO TARTAROTTI

Folkrock. Wenn Neil Young musiziert, dann nimmt er nicht einfach die Gitarre in die Hand – auch, wenn es sich oft so anhört. Der Mann, der die Bühne stets mit der Figur eines amerikanis­chen Ureinwohne­rs teilt und der auch schon in einer Telefonzel­le aufgenomme­n hat, muss besondere Orte erfinden, um in Stimmung zu kommen.

Rocky Mountains

Für sein neues, 41. Studioalbu­m „Barn“(Scheune) musste es naturgemäß eine Scheune sein. Und die Scheune steht natürlich in den Rocky Mountains, wo man am ehesten das Zurück-zur-Natur-Gefühl findet, das Young so gerne zelebriert. „Wir lieben die Scheune“, erzählte er dem

Rolling Stone. „Es ist eine tolle, alte Scheune. Wir haben sie originalge­treu restaurier­t. Wir hatten Skizzen und ein Foto. Der Klang im Gebäude war wirklich gut.“Zum richtigen Ort gehört bei Young auch die Wahl des richtigen Zeitpunkts: Aufgenomme­n wurde bei Vollmond. Young: „Ich mache das gerne, weil es für mich gut klappt. Ich weiß nicht, ob es bei jedem funktionie­rt, aber bei mir funktionie­rt es, weil man die Energie spüren kann, wenn sich die Mondzyklen ändern.“

Begleiten ließ sich Young wieder von seiner klassische­n Band, also Crazy Horse – zu ihr gehört jetzt auch der

Multiinstr­umentalist Nils Lofgren, der auch in Bruce Springstee­ns E Street Band spielt. Er ersetzt den langjährig­en Young-Weggefährt­en Frank „Poncho“Sampedro, der aus gesundheit­lichen Gründen im Ruhestand ist.

Kaminfeuer

„Barn“beginnt beschaulic­h: In „Song Of The Seasons“kann man beinahe das Kaminfeuer knistern hören, während Zieh- und Mundharmon­ika um die Wette klagen und Young die Akustische abstaubt.

Sollte noch Staub übrig sein, bläst ihn die Elektrisch­e jetzt nachhaltig weg: „Heading West“führt polternd ins Land der Erinnerung, der „good old days“. „Change

Ain’t Never Gonna“ist dann rumpelig-grantiger ÖkoBlues: Auch alte Männer haben ein Herz für den Umweltschu­tz!

„Canerican“handelt wenig subtil von Youngs verdoppelt­em Patriotism­us (der gebürtige Kanadier wurde USStaatsbü­rger, um gegen Trump stimmen zu können). „Shape Of You“klingt wie ein bierselige­r Besuch im örtlichen Saloon, „They Might Be Lost“ist eine düstere Ballade an der Grenze des Verschwind­ens.

„Human Race“ist dann der zentrale Song – die Gitarren ächzen und stöhnen unter ihrer eigenen Last, dazu heult Young das Lied von der Klima-Apokalypse. Sofort danach bietet das sanfte Klavier von „Tumblin’ Thru The Years“Erlösung: Liebe und Familie geben Halt. „Welcome Back“windet sich dann durch achteinhal­b ewige Minuten, bevor „Don’t Forget Love“das hoffnungsv­olle Ende als Mantra zelebriert, während Young auf die Gitarre klopft: Vergiss nicht auf die Liebe!

Fazit: Dieses Album hat nicht die unbeugsame Kraft von „Psychedeli­c Pill“von 2012 – und schon gar nicht die Wucht von „Ragged Glory“von 1990. Aber es ist ein vitales, relevantes Statement.

In der Deluxe-Edition gibt es zu „Barn“auch den gleichnami­gen Dokumentar­film, gedreht von Youngs Ehefrau, der Schauspiel­erin Daryl Hannah.

KURIER-Wertung: ★★★⯪★

 ?? ?? Vergiss nicht auf die Liebe! Neil Young, 76, hat ein neues Album fertig: „Barn“vereint Zärtlichke­it und Wut
Vergiss nicht auf die Liebe! Neil Young, 76, hat ein neues Album fertig: „Barn“vereint Zärtlichke­it und Wut

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